Turner 01 - Dunkle Schuld
Kenyatta-Romanen hingab. Dann kam Adrian. Zu jenem Zeitpunkt steckte meine Nase wie ein Tomahawk bereits tief in College-Verzeichnissen und -Berichten. Unser graues, konturenloses U-Boot bahnte sich seinen Weg durch unsere
grauen konturenlosen Tage. Und es sah so aus als könnte ich, während ich immer noch auf Tauchgang war, mein Diplom abschließen, dank des Bundesstaates, der bei aller gebotenen Vorsicht offenbar viel von mir hielt.
Heutzutage, in den Zeiten des Internets, ist das keine große Sache. Aber damals waren die darin enthaltenen Arbeiten mit riesigen Herausforderungen verbunden. Jeden Monat oder so bekam ich einen dicken Umschlag mit Unterlagen. Es wurde von mir erwartet, dass ich sie durcharbeite, die Referate dazu anfertigte, am Ende noch einen Test schrieb und das Ganze dann wieder zurückschickte, woraufhin ich einen neuen Umschlag erhielt.
So war es in der Theorie. Aber oft vergingen zwei oder drei Monate, bevor ich ein Paket erhielt. Zu einem Zeitpunkt, an dem es schon drei hätten sein können, erhielt ich einen oder einen fast leeren Umschlag. Es mochte ein Mithäftling in der Postabteilung gewesen sein, der irgendeinen Groll gegen mich hegte, die kleinliche Wichtigtuerei oder das arrogante Kontrollgehabe eines Wächters, oder es war ein ganz alltäglicher Diebstahl. Natürlich gab es nie eine Erklärung - und man lernte hier schnell, dass man, wenn einmal die Türen hinter einem ins Schloss gefallen waren, nichts mehr anzuzweifeln hatte. Wäre ich nicht durch diesen Weder-Fisch-noch-Fleisch-Status - weder richtiger Häftling noch richtiger Student - geschützt gewesen und später durch einen Lehrer, der ein ungefragtes Interesse an mir hegte, hätte mich das College sicher bald vor die Tür gesetzt. Aber sie taten’s nicht. Ich hatte mein Konto bereits weit überzogen, aber die Schecks wurden immer noch eingelöst.
Im Oktober dieses zweiten Jahres erhielt ich meinen M.A. Das kunstvolle Zertifikat, in einem schweren cremefarbenen Einband, beladen mit gotischer Schrift und Latein, kam in einer dieser Rollen, in denen Mithäftlinge die Barbarella-, Harley-Davidson- und R.-Crumb-Poster erhielten, die sie an ihre Zellwände klebten. Der Verwaltungsrat der Universität fragte an, so las ich in einem beigefügten Schreiben, ob ich meine Ausbildung an ihrer Fakultät weiterführen wolle. Schon immer ein schneller Student, der inzwischen hier drinnen überlebte und auch seinen Weg durch das Dickicht der Universitätsvorschriften gefunden hatte, fühlte ich mich wie ein Veteran dieser Einrichtung, geschickt genug, die Regentropfen zu umgehen, und schlau genug, die Thermik des Systems zu nutzen. Man ist immer da besser, wo man sich auskennt. Darauf können Sie wetten, dass ich das werde, teilte ich dem Verwaltungsrat mit.
So wie der April jedes Jahr den Berg runterkommt wie ein Idiot, plätschernd und Blumen streuend, so kommt der Oktober verdrießlich und ernst auf uns zu - nie mehr als das.
Wenn ich ein, zwei Pfund Anstaltskleidung vom Tresen nahm, so hob ich eine Tonne voll Kummer mit auf. Dass ich ein Bulle gewesen war, sollte nicht publik werden. Aber die Wärter wussten es, was bedeutete, dass jeder es wusste, und jeder einzelne von ihnen, Häftlinge und Wärter gleichermaßen, hatte einen guten Grund, die verschiedenen Schiffswracks zu hassen, von denen sie hier angespült worden waren. Sie konnten weder der Gesellschaft die Gurgel durchschneiden noch Gefängnisdirektor Petit den Stiel einer Saugglocke hinten reinschieben, aber da war ja
ich. Am Anfang, es begann im Kleinen und eskalierte dann, wie es Gewalt meistens tut, kam es zu Konfrontationen im Hof, zu den Mahlzeiten, in den Duschen, in der Werkstatt. Zwei Monate und ein halbes Dutzend Rangeleien später erhielt ich eine der seltenen Einladungen von Gefängnisdirektor Petit persönlich - ich hatte mich nicht schnell genug zurückziehen können, und die woanders hinschauenden Wächter hatten mir genug Zeit gegeben, dem Kerl den Kiefer zu brechen, bevor sie einschritten -, der mir sagen wollte, wie stolz er darauf sei, wie ich mich machte.
»Danke sehr, Direktor.«
»Ungeheurer Druck da draußen für Sie. Ich kann das beurteilen, wissen Sie. Ich sehe es. Sie lassen nie von einem ab, nicht wahr?« Ein dreieckiges Fleckchen Haar war auf seiner Stirn verblieben, als der Rest sich zurückgezogen hatte. Er blätterte gewichtig in den Unterlagen auf dem Schreibtisch vor ihm. »Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
»Nein.«
»Scotch?« Seine
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