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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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ansteuerte. »Sie redet immer davon, dass ich früher die geborene Führungsperson war und sie sich heute noch fragt, wieso sich das verändert hat.«
    »Hat es das?«
    Ich schaufelte ungefähr ein halbe Tasse Salsa auf einen Chip, verschlang ihn und spülte mit einem tiefen Schluck Miller’s nach.
    »Ich denke, was passierte, war, dass wir uns auseinanderlebten.«
    »Du und deine Schwester?«
    »Ich und die anderen Kinder. Am Anfang hatten wir viele Gemeinsamkeiten. Sie waren kein besonders fantasievoller oder sprachbegabter Haufen, und ich bin eben einfach vorgetreten, habe für sie gesprochen und sie zusammengeschweißt.
Aber die Zeit verging, und wir entwickelten uns zu Individuen, deren Interessen auseinandergingen. Sie interessierten sich für Sport, woran mir überhaupt nichts lag. Es war einfach nie mein Ding, verstehst du? Ist es immer noch nicht. Dann driftete ich ab in die Welt der Bücher - für sie ein vollkommenes Mysterium oder noch schlimmer.«
    Marsha langte über den Tisch, nahm sich mein Bier und trank einen Schluck. Was nix kostet, schmeckt immer besser. »Hör dir selbst nur mal zu«, sagte sie. »Genau das, was ich meine.«
    Ich rief die Kellnerin und bestellte noch ein Bier. »Nehme nicht an, dass du auch eins möchtest?«, fragte ich Marsha.
    »Ich? Ein Bier? Warum, um alles in der Welt, sollte ich ein Bier haben wollen?«
    »Ja, dachte ich mir schon.«
    Sie schaufelte Enchilladas, gebratene Bohnen und pampigen Pimiento-Reis in sich hinein, gespickt mit vereinzelten Happen von meinem Teller, obwohl wir das Gleiche aßen. Keiner von uns wurde der mächtigen Portion Herr. Mindestens die Hälfte des Essens war auf unseren Tellern liegen geblieben, als wir fertig waren, die in Folie gewickelten Tortillas sogar noch unberührt. Ich nahm noch ein Bier. Wir lehnten das Angebot ab, die Reste einpacken zu lassen.
    Dann raus, in einen dieser typischen wundervollen südländischen Abende, singende Zikaden, Motten, die gegen Fliegenschutzgitter schlugen, über uns die Sichel des Mondes. Mein Auto wartete. In dem künstlichen Licht ähnelte
seine harte, blaugrüne Karosserie dem Panzer eines weiteren Insekts.
    »Gibt nicht sonderlich viel, worauf Randy sich freuen kann, stimmt’s?«
    »Im Moment nicht, nein.«
    »Ohne dich hätte er noch viel weniger.« Sie lehnte ihren Kopf gegen die Rückenlehne ihres Sitzes. »Es ist so wunderschön, dass man fast alles um sich vergisst.«
    Jahre später in ähnlichen Umständen, in einer Nacht, die dieselbe hätte sein können, bewohnt von den Ur-Ur-Enkeln genau derselben Zikaden, drehte Val Bjorn ihren Kopf zu mir und sagte: »Eine echte Hank-Williams-Nacht.« Als sie leise anfing zu summen, fiel mir der Text wieder ein. A night so long … Time goes slowly by … His heart as lonesome as mine.

Kapitel Siebzehn
    Viel von den Unterhaltungen im Gefängnis bestehen aus Litaneien, Phrasen, altbekannten Beschwörungen, die gedankenlos hin und her gehen. Einer sprach sie aus, andere in Hörweite nickten, das war die ganze Konversation. Ein beliebter Spruch war: Wenn du deine Zeit nicht nutzt, benutzt sie todsicher dich.
    Alles wies darauf hin, dass Carl Hazelwood von der Zeit gut benutzt worden war, lange bevor er wie ein Musterexemplar einer Motte an die Wand des Carports gespießt wurde.
    Ich war gerade wieder zurück im Büro - nach meinem Gespräch mit Sarah, die von Adrienne abgeholt wurde, nachdem diese ihren erschöpften Vater zu Bett gebracht hatte -, als Don Lee den Anruf entgegennahm und den Hörer gleich an mich weiterreichte.
    Val Bjorn legte sofort los. »Hey, ich hab Ihren Mann. Musste meinen Kopf gerade halten und rausfinden, in welcher Richtung ich suchen musste. Seine Fingerabdrücke …« Ihre Stimme verebbte. Weil ich nicht antwortete?
    »Sie haben ihn schon, oder?«
    »Knapp.«
    »Knapp vorbei ist auch daneben.«
    Ich setzte sie über die Ankunft der Familie Hazelwood ins Bild. »Das schmälert aber nicht im Geringsten meine Wertschätzung dessen, was Sie für uns tun, verstehen Sie.«
    »Sie können sich gar nicht vorstellen, welche Hindernisse ich überwinden musste, um das hier rauszukriegen.«
    »Vielleicht kann ich es wiedergutmachen.«
    »Wie geht es ihnen? Der Familie. Haben sie irgendeine Vorstellung davon, was schiefgelaufen sein könnte?«
    »In erster Linie versuchen sie noch herauszufinden, was er überhaupt hier machte.«
    »Tun wir das nicht alle.« Sie unterbrach sich, um etwas zu trinken. »Was schwebt Ihnen denn vor, von wegen

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