Turner 01 - Dunkle Schuld
Tabletts mit Essen, Putzzeug - bis zur Mautstelle. Krankenschwestern in einem Patchwork aus Weiß, OP-Bekleidung, Banlon-Hemden und T-Shirts, Jeans, bequemen Hosen. Eine von ihnen brachte mich in das Doppelzimmer, in dem Randy auf einem der Betten saß. Er trug den Trainingsanzug, den ich ihm eingepackt hatte. Alles im Raum war pastellfarben, der Bettüberwurf, die Gardinen, das Handtuch, das hübsch gefaltet auf dem Nachttisch lag. Nur Randys Trainingsanzug war himmelblau.
Er sah zu mir hoch. »Dumm, hm?«
Ich hatte keine Vorstellung davon, an wie viel er sich erinnern würde, und fragte ihn.
»An alles. Aber es fühlt sich an wie eine Fernsehsendung,
die ich gesehen habe, oder ein Film. Als ob nicht ich es wäre, sondern ich selber stehe irgendwo am Rand und schaue zu und frage mich die ganze Zeit: Wer ist dieses Arschloch? Das schlägt alles, oder?«
»Ich habe heute Morgen mit dem Captain gesprochen. Er ist der Einzige auf dem Polizeirevier, der weiß, was los ist. Sagt, ich soll dir ausrichten, dass du dir keine Sorgen zu machen brauchst. Er gibt dir Rückendeckung.«
Eine lange Zeit sagte keiner von uns was.
»Ich weiß das hier sehr zu schätzen, Kumpel«, sagte Randy schließlich.
»Hey. Versteh das nicht falsch, du bist kein Hauptgewinn. Aber seit du weg bist, fahre ich entweder allein raus, oder es bleibt an mir hängen, auf irgend so einen zurückgebliebenen Halbidioten aufzupassen, den kein anderer will. An dich bin ich immerhin gewöhnt.«
Wir beide ließen die nachfolgende Stille in Ruhe passieren. Nach einer Weile sagte er: »Sie ist gegangen, nicht wahr?«
»Sieht so aus.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Abgesehen davon, dass du deinen Arsch aufraffst und wieder zur Arbeit kommst, meinst du.«
»Jaa … abgesehen davon.«
Eine Krankenschwester kam mit einem Tablett rein. Er hielt seine Hand auf. Sie stülpte einen kleinen Becher mit Pillen darauf aus und gab ihm einen Pappbecher mit Wasser. Er trank und schluckte. Sie ging wieder weg.
Kann ich dir irgendwas bringen?, fragte ich. Irgendwas, um das ich mich kümmern soll?
Er schüttelte den Kopf.
»Rechnungen sind alle bezahlt. Jede Menge Lebensmittel im Haus … Außer wenn du versuchen willst, zu Dorey Kontakt aufzunehmen, rauszufinden, wo sie ist.«
Das hatte ich schon getan, aber das würde ich ihm nicht sagen. Ich meinte, ich würde mal sehen.
»Ich kann nicht, ich kann einfach nicht«, hatte Dorey mir gesagt. Sie wohnte bei Freunden in Clark Place, in einem alten Haus aus roten Ziegelsteinen hinter einem Vorhang aus Feigenbäumen. Wir saßen in Korbstühlen auf einer geschlossenen Veranda, hinter einem Schachbrett aus Verstrebungen, Glas und Kitt. Voller Unregelmäßigkeiten, verzerrte jede Scheibe die Welt auf eine andere Weise, verkleinerte, vergrößerte, bog die Ecken in die Mitte oder machte aus rechten Winkeln Kurven. Im Feigenbaum sangen und prügelten sich die Drosseln.
»Lässt du mich wissen, wie es ihm geht?«, fragte Dorey. Ich sagte, das würde ich.
»Muss zurück aufs Pferd«, sagte ich zu Randy. »Wenn du was brauchst, meldest du dich, okay?«
Er versprach es.
»Das tut mir so leid«, sagte Marsha an jenem Abend bei einem mexikanischen Essen. Wir waren seit sechs oder acht Wochen zusammen. Eine Band, die aussah wie direkt aus The Cisco Kid oder einem Roy-Rogers-Film, Gitarre, mexikanische zwölfseitige Bassgitarre und Trompete, tauchte aus der Küche auf, spielte »Happy Birthday« und trat an einen Tisch in der Nähe. Vergleichsweise schwunglos tauchten einen Moment später unsere Enchilladas auf.
Marsha war Bibliothekarin. Wir lernten uns kennen, als
ein Betrunkener an einem der Lesetische einschlief und sie es nicht schaffte, ihn zu wecken, als die Bibliothek schloss. Da ich gleich um die Ecke war, übernahm ich den Einsatz. Sie war umwerfend schön, und das umso mehr, da sie nie auch nur einen einzigen Gedanken an ihr Aussehen verschwendete. Sie war ein interessierter und lebendiger Gesprächspartner, deren Gedanken immer wieder unerwartete Sprünge machen konnten; und sie war ein Garant für eine gute Unterhaltung, wann immer man sie traf. Zehn Minuten nachdem sie jemanden kennengelernt hatte, war sie dabei, das Beste, was dieser Mensch hatte, ans Tageslicht zu bringen. Entgegen meinen Protesten, dass ich wichtige Arbeit leistete, bestand sie darauf, dass ich als Detective meine Zeit verschwendete.
»Du erinnerst mich an meine Schwester«, sagte ich ihr, als sie das erste Mal das Thema
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