Turner 01 - Dunkle Schuld
kennengelernt, wir beide halbvoll, hab mir alles von seinem todsicheren Ding angehört, und das Nächste, an das ich mich erinnern kann, ist, dass ich wieder zurück im Bau bin. Beschissen peinlich war das. Hier bin ich, angeblich ein Profi.«
»Wie hast du mich gefunden?«
»Man hat mir gesagt, wohin ich gehen soll.«
»Billy D?«
Er nickte, kippte, was von dem Brandy noch übrig war, stand auf.
»Du kannst gern bleiben.«
»Danke. Aber ich hab genug.« An der Tür blieb er kurz stehen. »Du bist der Bulle, stimmt’s?«
»War ich.«
»Muss hart für dich gewesen sein, drinnen.«
»Ist für jeden hart.«
Hogg nickte. »Hab von dir gehört. Du warst okay. Du hast vielen Leuten geholfen.«
Meine Hybris.
Obwohl ich niemals in all den Jahren vorher oder seitdem diese Entschuldigung brauchte, um alles total zu vermasseln.
Kapitel Neunundzwanzig
»Gottverdammt, Sue, nimm einfach die Kanone runter.«
Sie saß auf der Schaukel auf der Veranda und wiegte die Schrotflinte wie ein Neugeborenes im Arm.
»Woher hast du das Ding überhaupt?«
»Die gehört mir, Lonnie, anständig und ehrlich mir, mach dir mal keine Sorgen. Ich hab sie eingetauscht.«
»Alban ist verletzt, Sue.«
»Also, das will ich gottverdammt aber auch hoffen.«
»Wir müssen ihm Hilfe holen.«
»Vielleicht könnte ja seine Freundin helfen. Warum suchst du die nicht? Die treibt sich wahrscheinlich irgendwo in der Nähe der Kirche rum.«
Die Veranda bestand aus nackten Brettern, vielleicht einen halben Meter über dem Erdboden, und verlief über die gesamte Vorderseite der Hütte. Die Stufen waren aus Beton gegossen. Sie passten eigentlich zu gar nichts - weder zum Boden noch zur Veranda. Alban lag zusammengesackt auf ihnen.
»Er verblutet, Sue.«
»Gut.«
»Dir ist aber klar, dass ich jetzt da raufkommen und dieser Geschichte ein Ende bereiten muss.«
Sie schüttelte den Kopf. Hob den linken Ellbogen, zehn, zwanzig Zentimeter, um die Schrotflinte zu betonen.
»Ich staune überhaupt, dass das Ding nicht explodiert
ist, als du damit geschossen hast. Eine Crescent, vielleicht eine Stevens, so wie’s von hier aussieht. Eine Waffe aus dem Kaufladen. Fast schon so alt wie unsere Stadt. Es muss hier jetzt sonst keiner mehr verletzt werden, Sue. Alban«, rief er. »Bist du okay?«
Alban hob eine Hand, ließ sie wieder fallen.
»Die Kids sind bei deiner Familie, Sue?«
Sie nickte.
»Ich wette, Freda schreibt immer noch Einsen, oder?«
Bates trat aus dem Schutz des Jeeps heraus und bewegte sich langsam in ihre Richtung, wobei er die Hände immer deutlich sichtbar hielt.
»Das sind gute Kinder, Sue. Du willst sie doch nicht allein lassen.«
Lautlos tauchte Don Lee hinter ihr auf der Veranda auf.
»Wir gehen diese Straße da runter, dann noch ein paar Schritte weiter, und das war’s dann auch schon.«
Don Lee griff, ich kann es nicht anders beschreiben, unendlich behutsam über die Rückenlehne der Schaukel und nahm die Schrotflinte. Sie leistete keinen Widerstand, tatsächlich wirkte sie sogar erleichtert.
Bates kehrte zum Jeep zurück und nahm das Mikro in die Hand.
»June, bist du da? Kommen.«
»Zehn-vier.«
»Brauche einen Krankenwagen bei Alban McWhorters Haus.«
»Schon unterwegs … Was ist da draußen los?«
»Ich bin gleich zu Hause. Dann erzähl ich dir alles.«
Don Lee kam mit Sue im Schlepptau zu uns herüber.
»Alban sieht aus, als wäre er okay. Im Wesentlichen nur Fleischwunden. Ich schätze mal, sie hat den Lauf im letzten Augenblick noch weggezogen.«
»Tut mir leid, Lonnie«, sagte Sue.
»Tut uns allen leid.«
»Ich liebe ihn, weißt du.«
»Ich weiß.«
»Kommt er wieder in Ordnung?«
»Ihr beide kommt wieder in Ordnung. Doc Oldham wird sich melden. Wir werden dir Bescheid geben, was er zu sagen hat.«
Eine Hand unter ihrer Schulter, die andere auf ihrem Kopf, schob Don Lee Sue auf den Rücksitz des Streifenwagens. Wie ein Waschbär schaute sie zu uns heraus.
»Lonnie, kann irgendwer meine Eltern anrufen?«
»Ich fahr selbst vorbei.«
Sie wohnten in einem weißen Haus Richtung Stadt. Es hob sich von den Nachbarhäusern deutlich ab: irgendwann während der letzten paar Jahre neu gestrichen, der Rasen erst kürzlich gemäht, die auffällige Abwesenheit von achtlos liegen gelassenen Gerätschaften und Autos. Die Vorhänge waren offen und, wie ich bald feststellte, die Tür nicht abgeschlossen. Wir konnten hineinsehen. Hinter der Rückseite der Couch und zwei Köpfen stolzierten im Fernseher Tiere auf
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