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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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fühlen.«
    Etwa eine Meile die Straße hinauf streckten wir beide die Hände aus dem Fenster, um Ida zu winken, die in ihrem blau-cremefarbenen 48er Buick die Straße entlangtuckerte.
    »Darf ich mal was fragen?«
    Ich nickte.
    »Ist persönlich. Geht mich auch eigentlich gar nichts an.«
    Ich drehte mich zu ihm um.
    »Sie lassen immer wieder Dinge hinter sich zurück, steigen aus, ziehen weiter.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich je groß eine Wahl hatte.«
    »Was hätten Sie einem Patienten geantwortet, der das sagte?«
    »Dass wir so oder so immer unsere eigenen Entscheidungen treffen. Begriffen.« Ich beobachtete, wie ein Habicht sich von einem Strommast abstieß und über Sojabohnenfeldern dahinglitt. »Ich glaube, so sehr wie alles andere war das ein Grund, warum ich aufgehört habe. Ich konnte nicht mehr hören, wie ich ständig diese saublöden Dinge sagte, wiederholte, was ich gehört, was ich gelesen hatte, kein einziges Mal mehr. Es war alles zu platt - das wusste ich von Anfang an. Wir sind kein Aufziehspielzeug, bei dem man nichts anderes tun muss, als die eine oder andere Schraube anzuziehen, die Feder aufzuziehen, die Spannung zu justieren, und schon funktionieren wir wieder.«
    Der Habicht stieß herab, und als er wieder hochkam, hatte er etwas in den Krallen, das wie ein kleines Stinktier aussah.
    »Die schlichte Wahrheit ist doch, nicht ich habe diese Entscheidungen gefällt. Ich habe mich nicht dafür entschieden, an einem Ort, so weit weg, dass ich noch nicht mal davon gehört hatte, durch einen Dschungel zu kriechen. Es war nie meine Entscheidung, meinen Partner zu erschie ßen oder im Gefängnis einen Mann zu töten, gegen den
ich überhaupt nichts hatte, einen Mann, den ich ja kaum kannte. Und todsicher habe ich auch nicht mein Reisebüro angerufen, um ein elf Jahre dauerndes langes Wochenende im Knast zu buchen.«
    Erwartungsgemäß blieb Bates stumm.
    »Ich habe mich nie irgendwo zu Hause gefühlt, habe nie einen Ort gefunden, wo ich hinpasste. Wie bei einem Schraubenschlüssel, der leicht durchdreht, einem Schraubenzieher, der nicht ganz passt. Es geht so gerade, man kann die Arbeit erledigen. Aber beim nächsten Mal ist es dann schon etwas schwieriger. Ecken sind abgenutzt, der Schraubenkopf ist total rundgedreht.«
    Bates zog das Lenkrad scharf nach rechts und beförderte uns und den Jeep holpernd einen Feldweg durch die Bäume hinunter. Müllsäcke waren wahllos an den Wegesrand geworfen worden. Wildblumen und dicke Ranken wuchsen aus einem 40er-Jahre-Pick-up, als wär’s ein Blumenkasten. Bates hielt vor DAVE’S, einem Bootshaus, Laden für Anglerbedarf und hin und wieder Grillimbiss, der an einem leichten Abhang am See errichtet worden war und auf Stelzen in ihn hinausragte. Im DAVE’S schien nicht besonders viel los zu sein. Weder jetzt noch sonst. Ein einsamer Truck, der auch nicht viel besser aussah als der andere mit den Ranken vorhin am Feldweg, stand auf dem Parkplatz.
    Bates stieg aus und ging hinein. Er war vielleicht fünf Minuten fort.
    »Alles okay hier. Ich komme nicht besonders oft in diese Gegend, aber wenn, dann schaue ich immer gern bei Dave und seiner Familie vorbei. Diese letzten paar Präsidenten,
die wir gehabt haben, waren hart für sie und ihresgleichen.«
    Wir kehrten zur Hauptstraße zurück. Ein Kamelritt. Bates knackte eine Coke, reichte sie mir herüber. Ich trank und gab sie zurück. Ein paar Meilen verstrichen.
    »Wissen die Leute hier in der Gegend zu schätzen, was Sie für sie tun?«, fragte ich. »Wissen sie es überhaupt?«
    »Manche schon, ja. Nicht, dass das viel damit zu tun hätte, warum ich es überhaupt mache.«
    Wir hatten inzwischen wieder die Stadt erreicht. Der Verkehr wurde dichter. Zwei, vielleicht drei Autos an der Kreuzung. Vor dem Rathaus hielten wir an. Keiner von uns machte Anstalten, aus dem Jeep zu steigen.
    »Manchmal denke ich, die erste richtige Entscheidung, die ich getroffen habe, in meinem ganzen Leben, war die, als ich alles andere hingeschmissen habe und hierhergekommen bin.«
    »Hoffe, es klappt.«
    »Besser als in der Vergangenheit, meinen Sie.«
    »Nein, ich meine einfach, ich hoffe, es klappt.«

    Die Haushälterin des Bürgermeisters, eine Schwarze namens Mattie, war bereits seit über fünfzig Jahren bei der Familie.
    »Bis auf die Zeit, als ich als Packerin in der Fabrik gearbeitet habe«, sagte Mattie. »Diesen Job hab ich immer gern gemacht.«
    »Die Frau wechselte meine Windeln.«

    »Diesen Job hab ich sogar sehr

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