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Twig im Dunkelwald

Twig im Dunkelwald

Titel: Twig im Dunkelwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Stewart
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durch die Fenster auf der anderen Seite fiel, leuchtete rot. Es war ein glücklicher, freundlicher Traum. Das heißt, bis das Wispern begann.
    »Wirklich gemütlich hier«, zischelte es. »Aber zu Hause bist du hier nicht, oder?«
    Twig sah sich im Traum um. Eine hagere Gestalt in einem Kapuzenmantel verschwand soeben hinter einem hölzernen Pfeiler und fuhr dabei scharrend mit einem langen, scharfen Fingernagel über dessen rote Oberfläche. Twig trat zögernd einen Schritt näher und starrte auf den Kratzer im Holz, aus dem es wie aus einer offenen Wunde tropfte. Plötzlich hörte er das Wispern wieder, diesmal direkt an seinem Ohr.
    »Ich bin immer noch da«, flüsterte es. »Ich bin immer da.« Twig fuhr herum. Er sah niemanden.
    »Du Dummerchen«, ertönte die Stimme wieder. »Wenn du wissen willst, was für ein Schicksal dir bestimmt ist, musst du mir folgen.«
    Twig sah entsetzt, wie aus den Falten des Mantels eine knochige Hand mit gelben Klauen auftauchte, nach oben langte und an die Kapuze fasste. Gleich würde er das Gesicht sehen. Er wollte sich abwenden, aber er war wie gelähmt.
    Plötzlich lachte die Kreatur gackernd auf und ließ die Hand wieder fallen. »Du lernst mich noch bald genug kennen«, zischelte sie und beugte sich verschwörerisch vor. Twigs Herz schlug wie wild. Er spürte den warmen Atem der Kreatur am Ohr und roch den modrigen Schwefelgeruch, der aus dem Mantel stieg.
    »WACH AUF!«
    Der unerwartete Schrei dröhnte durch Twigs Kopf wie eine Explosion. Er wimmerte ängstlich, öffnete die Augen und sah sich verwirrt um. Es war hell und er lag hoch droben auf etwas Weichem. Neben ihm lagen leise schnarchend lauter rothäutige Gestalten. Er sah das ruhige Gesicht des schlafenden Knorpel und alles fiel ihm wieder ein.
    »Los, wach schon auf da droben«, hörte er jemanden sagen. Er rutschte auf Knien zum Rand der Hängematte. Tief unter sich sah er einen Schlächter, den Einzigen, der noch auf war. Er schürte gerade das Feuer.

    »Warst du das eben?«, rief Twig hinunter.
    Der Schlächter tippte mit der Hand an seine Stirn und nickte. »Mama-Tatum sagte, ich sollte Euch nicht den ganzen Tag schlafen lassen, Master Twig«, rief er hinauf. »Ihr seid doch ein Kind der Sonne.«
    Twig sah zum Himmel auf. Die Sonne stand schon fast im Zenit. Er krabbelte zum anderen Ende der Hängematte, bemüht die schlafende Familie nicht zu wecken, und kletterte die Leiter hinunter.
    »So ist es recht, Master Twig«, sagte der Schlächter und half ihm von der letzten Sprosse auf den Boden. »Ihr habt noch eine lange Reise vor Euch.«
    Twig runzelte die Stirn. »Aber ich dachte, ich könnte eine Weile hier bleiben«, sagte er. »Es gefällt mir hier und Cousin Schnatterbark vermisst mich sicher nicht, jedenfalls jetzt noch nicht.«
    »Hier bleiben?«, sagte der Schlächter höhnisch. »Hier bleiben? Aber Ihr passt doch überhaupt nicht hierher. Erst heute früh meinte Mama-Tatum, was für ein Trampel Ihr doch seid, ohne jedes Gefühl für Leder.«
    »Das hat Mama-Tatum gesagt?« Twig spürte einen Kloß im Hals und schluckte. »Aber sie hat mir diese Weste geschenkt.« Er fuhr leicht darüber. Das Fell wurde steif und stellte sich auf. »Au!«
    »Ach die«, plärrte der Schlächter. »Bildet Euch da mal nichts drauf ein. Das ist doch nur ein ausrangierter alter Mantel. Den will sonst keiner mehr.« Er lachte boshaft. »Nein, Ihr geht schön zu Euren Leuten zurück. Euer Weg führt dort drüben lang.«
    Der Schlächter zeigte in den Wald. Eine Schar grauer Vögel stieg lärmend zum Himmel auf.
    »Also meinetwegen!«, sagte Twig. Seine Augen brannten, aber er wollte nicht weinen, nicht vor diesem Wicht mit dem roten Gesicht und den flammenden Haaren.
    »Und nehmt Euch vor dem Schleimschmeichler in Acht!«, rief ihm der Schlächter nach. Seine näselnde Stimme klang spöttisch.
    »Vor dem nehme ich mich schon in Acht«, murmelte Twig, am Waldrand angekommen. »Und vor aufgeblasenen Schlächtern auch, die einen einmal wie einen Helden und dann wieder wie eine Borkenschnecke behandeln!«
    Er drehte sich um und wollte es laut sagen, doch der Schlächter war verschwunden. Wieder einmal war Twig allein.

 
KAPITEL 4
    Das Skalpell
     
    U nheimlich schloss sich der dunkelgrüne Wald um ihn. Twig tastete ängstlich nach den Amuletten, die ihm um den Hals hingen. Wenn im Herzen des Dunkelwalds wirklich böse Wesen lauerten, konnten diese Stückchen aus Holz und Leder ihn davor schützen?
    »Hoffentlich werde ich nie auf

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