Twig im Dunkelwald
erste am dampfenden rosa Honig sein.
Twig machte ein paar Schritte zurück, weg von den raufenden Kobolden. Er tastete nach der Wand hinter sich und arbeitete sich an ihr entlang, bis er an eine Treppe kam. Er stieg die Treppe hinauf. Auf halbem Weg blieb er stehen, setzte sich und sah zu den Kobolden hinunter.
Die Kobolde versuchten so viel wie möglich von der pappigen Masse abzubekommen und der rosafarbene Honig spritzte überallhin. Einige schlürften ihn aus hohlen Händen, andere hatten den Kopf in den klebrigen Brei gesteckt und tranken in gierigen Schlucken. Einer war sogar in den Trog gestiegen und lag mit offenem Mund direkt unter dem Schlauch. Auf seinem verschmierten Gesicht lag ein Ausdruck besinnungsloser Zufriedenheit.
Twig schüttelte angeekelt den Kopf.
Plötzlich ertönte ein lauter Schlag und der Honigstrom versiegte. Die Fütterungszeit war vorbei. Ein bedauerndes Seufzen ging durch die Menge und einige Kobolde kletterten in den Trog um ihn sauber zu lecken. Die anderen gingen still und friedlich aus dem Saal. Mit ihrem Hunger war auch die allgemeine Hektik verschwunden.
Der Saal war so gut wie leer. Twig wollte aufstehen, doch dann erstarrte er. Etwas anderes war zu hören. Ein Prusten und Schnaufen, gefolgt von Plätschern und Klappern. Und dann das Gleiche noch einmal in derselben Reihenfolge.
Mit klopfendem Herzen drehte Twig sich um und spähte in das Dunkel über ihm. Aufgeregt tastete er nach seinen Amuletten.
Wieder prustete, schnaufte, plätscherte und klapperte es. Entsetzt hielt er die Luft an. Etwas kam näher. Und dieses Etwas gab Laute von sich, die er überhaupt nicht mochte. Wieder hörte er die Geräusche, gefolgt von einem lang gezogenen Ächzen!
Und dann plötzlich stand in der Tür am oberen Ende der Treppe das GRÖSSTE, FETTESTE MONSTER, das er je gesehen hatte. Sie – denn es war eine Sie – drehte den Kopf und ließ den Blick durch den Saal unter ihr wandern. Kleine Knopfaugen spähten über die aufgedunsenen Backen hinweg und die Speckfalten um ihren Hals schwabbelten.
»Nie hat man seine Ruhe«, murmelte sie. Ihre Stimme blubberte wie Schlamm, in dem Blasen aufstiegen. Blub, blub, blub, blub. »Trotzdem«, fügte sie leise hinzu und nahm Mopp und Eimer wieder auf, »die Jungs sind es wert.«
Sie schob und drückte ihre wabbelnden Fettmassen durch die Tür. Twig sprang auf, rannte die Treppe hinunter und versteckte sich an dem einzigen Ort, wo man sich verstecken konnte – unter dem Trog. Die Geräusche setzten wieder ein, dann ertönte ein dumpfer Schlag. Ängstlich spähte Twig unter dem Trog hervor.
Für eine Person ihrer Größe bewegte Grobmutter sich erstaunlich rasch. Sie kam immer näher, Twig zitterte vor Angst. »Sicher hat sie mich schon gesehen«, jammerte er leise und drückte sich so tief in den Schatten, wie er konnte. Der Eimer kam klappernd auf dem Boden zu stehen, der Mopp tauchte in das Wasser und Grobmutter begann den Dreck wegzuputzen, den ihre »Jungs« hinterlassen hatten. Klatschend fuhr sie mit dem Mopp in den Trog und um ihn herum. Immer wieder nach Luft schnappend, summte sie dabei. Zuletzt nahm sie den Eimer und schüttete das restliche Wasser unter den Trog.
Twig schrie auf. Das Wasser war eiskalt.
»Was war das?«, rief Grobmutter und wischte mit dem Mopp suchend unter dem Trog hin und her. Twig konnte ihr immer wieder ausweichen, doch dann verließ ihn das Glück. Der Mopp traf ihn in die Brust und schob ihn nach hinten ins Freie. Sofort stand Grobmutter über ihm.
»Igitt!«, kreischte sie. »Abscheulich … ekelhaft … UNGEZIEFER … infiziert meine schöne Kolonie.«
Sie packte Twig am Ohr, zog ihn vom Boden hoch und ließ ihn in den Eimer plumpsen. Dann stieß sie den Mopp auf ihn drauf, nahm den Eimer in die Hand und stieg schnaufend die Treppe wieder hinauf.
Twig rührte sich nicht. Seine Brust schmerzte, sein Ohr sauste und der Eimer schwankte. Er hörte, wie Grobmutter sich durch eine Tür drückte und dann noch durch eine zweite. Der eklig süße Geruch wurde immer stärker. Plötzlich hörte das Schwanken auf. Twig wartete einen Augenblick, dann schob er den Mopp zur Seite und spähte über den Rand des Eimers.
Der Eimer hing an einem Haken hoch über einer riesigen, von Dampf erfüllten Küche. Twig stockte der Atem. Sich nach unten zu lassen war unmöglich. Er sah zu, wie Grobmutter durch die Küche zum Herd watschelte, auf dem in zwei gewaltigen Töpfen rosafarbener Honig kochte. Sie nahm einen hölzernen
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