Twig im Dunkelwald
er auf einer Wiese an einem gluckernden Bach mit kristallklarem Wasser lag. Leuchtend roter Mohn schwankte im Wind und erfüllte die Luft mit einem atemberaubend süßen Duft.
Die Klauen immer noch fest in die Rinde gekrallt, machte der Faulsauger sich an der Öffnung des Kokons zu schaffen. Mit den Krallen an seinen Flügeln löste er Faser für Faser das verfilzte Gespinst um die Öffnung auf und zog die Fäden über das Loch. Schon bald war die Öffnung verschlossen.
Twigs Lider flatterten unruhig. In seinem Traum stand er jetzt in einem höhlenartigen Gang, an dessen Wänden Diamanten und Smaragde millionenfach funkelten.
Der Vogel breitete die Flügel aus und hielt sich nun mit den Flügelkrallen am Ast fest. Dann ließ er die Füße los und hangelte sich am Ast entlang, bis er mit seinem Körper genau über dem Kokon war. Er spreizte die Beine und saugte geräuschvoll Luft ein. Sein Bauch wurde immer größer und die Schuppen an seinem Unterleib stellten sich auf. Darunter kamen gummiartige rosa Drüsen zum Vorschein, die sich, während der Faulsauger weiter Luft in sich hineinpumpte, langsam öffneten.
Dann plötzlich stöhnte er auf und sein ganzer Körper zog sich in einem heftigen Krampf zusammen. Aus den Drüsen spritzte in dicken Strahlen ein klebriger schwarzer Brei auf den Kokon hinunter.
»Mffllbnn«, murmelte Twig im Schlaf. »Mmmmsch …«
Die teerartige Flüssigkeit rann außen am Kokon herunter und bedeckte ihn bald vollständig. Dann wurde sie hart. Der Kokon war zu einem rundum abgeriegelten Gefängnis geworden.
Mit triumphierendem Kreischen packte der Vogel den Kokon mit seinen Klauen, durchtrennte die seidene Schnur mit einer seiner Flügelkrallen und stieg in die Nacht hinauf. Auf und ab schlugen die mächtigen Schwingen des Tieres, schwarze Schatten vor dem violettschwarzen Himmel. Die tödliche Hülse schwankte hin und her.
Währenddessen trieb Twig auf einem Floß mitten auf einem saphirblauen Meer. Sanft schaukelte er dahin und die Sonne schien ihm warm und gelb ins Gesicht. Plötzlich schob sich eine schwarze Wolkenbank vor die Sonne und das Meer wurde unruhig.
Twig machte die Augen auf und sah sich verwirrt um. Um ihn herum war alles schwarz, pechschwarz. Bewegungslos lag er da ohne zu begreifen, was vor sich ging. Seine Augen wollten sich nicht an die Dunkelheit gewöhnen. Er sah kein Licht, nicht den kleinsten Schimmer. Panik breitete sich in ihm aus und ihm wurde ganz heiß.
»Was ist los?«, schrie er. »Wo geht’s hier raus?«
Er kniete sich hin und betastete mit zitternden Fingern die Hülle, die ihn einschloss. Sie fühlte sich hart an und hallte dumpf, wenn er darauf schlug. Mit seinen Fäusten konnte er ihr nichts anhaben.
»Lass mich raus«, brüllte er. »LASS MICH RAUS!«
Twig sprang auf. Durch die plötzliche Bewegung im Kokon aus dem Gleichgewicht gebracht, geriet der Faulsauger ins Trudeln. Er schlug heftig mit seinen Flügeln und packte die schwarze Hülse noch fester. Er war es gewohnt, dass seine Opfer sich wehrten. Das Hin- und Hergeruckel würde bald aufhören. Irgendwann hörte es immer auf.
Twig keuchte und Schweiß brannte ihm in den Augen. Der beißende Gestank der Galle klebte an ihm wie eine zweite Haut. Er würgte. Das Dunkel schien sich im Kreis zu drehen. Er machte den Mund auf und erbrach sich. Der Inhalt seines Magens roch säuerlich und war voller Obstkerne und Samen. Ihm fiel die köstliche Frucht ein, die der Banderbär ihm zu essen gegeben hatte. Der Banderbär, der von den heimtückischen Wig-Wigs gefressen worden war! Wieder öffnete Twig den Mund und sein ganzer Körper zog sich in einem Krampf zusammen. Hhhrrrrrrchch! Was er erbrach, spritzte an die runden Wände seines Gefängnisses und schwappte um seine Füße.
Der Faulsauger verlagerte das Gewicht des zuckenden Kokons in seinen Klauen. Am fernen Horizont breitete sich fächerförmig der helle Schein der Morgendämmerung aus. »Bald sind wir da, Kleiner, bald sind wir daheim. Dann kommst du zu den anderen in mein Vorratslager im Baum«, kicherte das Tier schadenfroh.
Wieder musste Twig sich übergeben. Der scharfe Gestank um ihn herum trieb ihm Tränen in die Augen. Es war stickig und sein Kopf dröhnte. Er zog das Namensgebungsmesser vom Gürtel, nahm es fest in die Hand, beugte sich vor und stach wie verrückt auf die harte Schale ein. Doch das Messer prallte immer wieder ab. Twig hielt inne und wischte sich die verschwitzten Hände an der Hose ab. Das Messer hatte ihm gegen
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