Twig im Dunkelwald
machte. Dann kehrte sie zu ihm zurück, in der Hand ein Tablett voller Döschen und Fläschchen. »Da«, sagte sie und stellte es auf den Boden. »Jetzt komm und setz dich vor mich.«
Widerwillig gehorchte Twig.
Mag nahm einen weichen grauen Lappen aus schwammartigen Wurzelfasern und wusch ihn mit Wasser, das sie zuvor vom See geholt und mit Rosenwurzel parfümiert hatte. Dann trocknete sie ihn ab und bestäubte ihn mit einem dunklen, würzigen Puder. Twig musste niesen und Mag putzte ihm mit einem Taschentuch die Nase.
Es ist alles so demütigend, dachte Twig und drehte wütend den Kopf weg.
»Na, na!«, schimpfte Mag. »Soll ich Mumsie denn sagen, dass du ungezogen bist?«
Twig fügte sich und hielt still. Mag nahm einen Holzkamm und begann die Knoten in seinen verfilzten Haaren zu entwirren.
»Schöne Haare hast du, Twig«, sagte sie. »Dick und schwarz …« Sie zerrte heftig an einem hartnäckigen Knoten. »Aber so verfilzt! Warum um alles unter der Welt kämmst du dich nie?« Wieder riss sie an seinen Haaren.
Twig zuckte zusammen. Tränen traten ihm in die Augen und er biss sich hart auf die Unterlippe, aber er gab keinen Laut von sich.
» Ich bürste mir die Haare zweimal täglich«, sagte Mag und warf ihre leuchtend orangefarbene Mähne zurück. Sie beugte sich zu Twig vor. »Bald«, flüsterte sie, »fallen sie aus. Allesamt. Dann bin ich auch eine Höhlenfurie, genau wie Mumsie.«
Twig nickte mitfühlend.
»Ich kann es gar nicht erwarten!«, rief Mag dann zu seiner Überraschung. »Eine Höhlenfurie. Kannst du dir das vorstellen, mein lieber kleiner Twig?« Sie legte den Kamm weg. »Nein«, sagte sie, »natürlich kannst du das nicht. Aber du bist ja auch ein Männchen. Und Männchen …«
Sie brach ab, entkorkte ein kleines Fläschchen und ließ eine dicke, gelbe Flüssigkeit auf ihre flache Hand tropfen. Die Flüssigkeit roch süß und scharf zugleich. Mag massierte sie in seine Haare ein. Seine Kopfhaut begann zu prickeln und seine Augen fingen an zu brennen.
»… können keine Höhlenfurien sein.« Wieder verstummte sie. Dann nahm sie ein kleines Büschel seiner Haare, teilte es in drei dünne Strähnen und begann diese zu einem Zopf zu flechten. »Mumsie sagt, das ist wegen der Wurzel so. Der Wurzel von Mutter Bluteiche.« Sie sagte es voller Ehrfurcht.
Twig lief bei der bloßen Erwähnung des blutdurstigen, nach Fleisch hungernden Baums, der ihn um ein Haar das Leben gekostet hätte, eine Gänsehaut über den Rücken. Dankbar strich er über seine Weste aus Hammelhornfell.
»Das ist die pinkfarbene Wurzel, die wir auf dem Weg hierher gesehen haben«, fuhr Mag fort. Sie knotete Perlen in den fertigen Zopf. »Weißt du noch? Die, von der du nie essen darfst. Sie ist für Männchen giftig. Sogar tödlich giftig.« Sie flüsterte es. »Aber nicht für uns Frauen«, fügte sie hinzu.
Sie kicherte und nahm ein zweites Büschel Haare.
»Der Saft der Wurzel macht Mumsie und die anderen so groß und stark. ›Wenn rot fließt Mutter Bluteiches Blut, dann essen die Höhlenfurien allesamt gut‹, heißt bei uns ein Sprichwort.«
Twig zuckte zusammen. »Wenn rot fließt Mutter Bluteiches Blut …« Über Bluteichen wusste er Bescheid. Leichte Übelkeit stieg in ihm auf. Mag flocht weiter Perlen in seine Haare.
»Och, schaust du aber schön aus, Twig«, sagte sie. Twig verzog das Gesicht. »Den Höhlenmännchen stinkt das natürlich gewaltig«, fuhr Mag nachdenklich fort. »Aber sie sind auch wirklich schrecklich. So spindeldürr und boshaft und gemein.« Von Ekel erfasst, rümpfte sie die Nase. Dann seufzte sie. »Natürlich haben sie auch ihre nützlichen Seiten. Irgendjemand muss schließlich kochen und putzen!«
Dem Himmel sei Dank, dass ich hier nur der Schoßhund bin, dachte Twig.
»Einmal haben sie versucht alles kaputt zu machen«, sagte Mag. »Das war vor meiner Geburt. Anscheinend haben sie sich zusammengetan und versucht Mutter Bluteiche zu verbrennen. Die Höhlenfurien waren vielleicht wütend. Grün und blau haben sie die Männchen geschlagen. Seitdem haben die das nicht mehr versucht!« Sie lachte gehässig. »Nutzloses Pack!«
Twig spürte, wie drei weitere Perlen in einen Zopf geknotet wurden.
»Jedenfalls«, sagte Mag wieder ruhiger, »werden die wichtigsten Wurzeln jetzt streng bewacht …« Ihre Stimme verlor sich. »So!«, rief sie. »Dreh dich um und lass dich anschauen.«
Twig gehorchte.
»Wunderbar!«, sagte sie. »Jetzt komm, Süßer. Wir wollen sehen, was wir zum
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