Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Twig im Dunkelwald

Twig im Dunkelwald

Titel: Twig im Dunkelwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Stewart
Vom Netzwerk:
die wie wulstige Säulen aussahen.
    Die Wurzeln sehen aus wie ein Spiegelbild des Dunkelwalds, dachte Twig. Allerdings wie der Dunkelwald im Winter, wenn die Bäume kahl und nackt waren. Gebadet im Licht der Höhle, wirkten die ineinander verschlungenen Wurzeln seltsam kahl und … Twig riss die Augen auf. Nein, er hatte sich nicht geirrt. Das Licht fiel nicht auf die Wurzeln, es kam von ihnen. Er lief darauf zu.
    »Twig!«, befahl Mag streng.
    Die Wurzeln waren weiß, gelb oder pilzbraun und mindestens die Hälfte von ihnen verströmte einen schwach flackernden Schein. Twig legte die Hand auf eine Wurzel. Sie war warm und er spürte ein ganz leichtes Klopfen.
    »TWIG!«, kreischte Mag. »BEI FUSS!«
    Er sah sich um. Mag funkelte ihn drohend an. Absoluter Gehorsam, fiel ihm ein. Er kehrte zu ihr zurück und blieb neben ihr stehen.
    Mag tätschelte ihm den Kopf. »Die Wurzeln interessieren dich, was?«, sagte sie. »Sie versorgen uns mit allem, was wir brauchen.«
    Twig nickte stumm.
    »Mit Licht natürlich«, sagte Mag und zeigte auf einige Wurzeln. »Und mit Essen.« Sie brach von einer faserigen Wurzel zwei Knollen ab. Eine davon steckte sie sich in den Mund, die andere gab sie Twig, der sie misstrauisch betrachtete. »Friss!«, drängte sie. »Los!« Und als Twig immer noch zögerte, fügte sie ganz lieb hinzu: »Sonst sage ich es Mumsie.«

    Die Knolle war knusprig und saftig und schmeckte nach gerösteten Nüssen. »Nam, nam, nam«, machte Twig und leckte sich überschwänglich die Lippen.
    Mag lachte und ging weiter. »Die Wurzeln hier trocknen wir und mahlen sie zu Mehl«, erklärte sie. »Die Wurzeln dort drüben werden zerquetscht und dann zu Papier gemacht. Die hier brennen gut. Und das da …« Sie brach ab und blieb an einer wulstigen, fleischfarbenen Wurzel stehen. »Ich wusste gar nicht, dass die wild wachsen.« Sie musterte Twig von oben bis unten. »Twig«, sagte sie dann streng. »Die darfst du nie, nie essen.«
    Etwas weiter kamen sie an einen tiefen, dunklen See, an dessen Ufer man die meisten senkrechten Wurzeln abgeschnitten hatte, sodass eine Lichtung entstanden war. Die verbleibenden Wurzeln bildeten Bögen, zwischen denen sich zahlreiche kapselartige Hütten befanden. Sie waren eiförmig, braun, hatten kleine, runde Eingänge und waren bis zu fünf Stockwerke übereinander geschichtet.
    »Das sind die Höhlenwaben, in denen wir leben«, sagte Mag. »Komm.«
    Twig lächelte in sich hinein. Diesmal zog Mag ihn nicht an den Haaren. Sie hatte Vertrauen zu ihm gefasst.
    Die Kapseln, stellte er fest, bestanden aus einer dicken, papierähnlichen Masse, aus demselben Stoff wie Mumsies Kleid, nur dicker. Die Stege, die die Kapseln verbanden, knackten unter seinen Füßen und wenn er an die Wände klopfte, klang es hohl.
    »Lass das!«, sagte Mag scharf. »Es ärgert die Nachbarn.«
    Mags Kapsel war innen beträchtlich größer, als man von außen vermutet hätte. Das Licht der Wurzeln schimmerte gedämpft durch die Wände. Twig schnupperte. Es roch ganz entfernt nach Zimt.
    »Sicher bist du müde«, sagte Mag. »Du schläfst da drüben.« Sie zeigte auf einen Korb. »Mumsie mag es nicht, wenn meine Tiere bei mir im Bett schlafen.« Sie grinste listig. »Ich aber schon! Komm, spring rauf.« Sie klopfte auf das Fußende des Bettes. »Wenn du ihr nichts sagst, verrate ich auch nichts.« Sie bekam einen Lachanfall.
    Twig tat wie geheißen. Auch wenn es verboten war, die Matratze aus dickem Papier war weich und warm. Er fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Einige Stunden später – Tag und Nacht hatten in dem gleichmäßigen Licht der Höhlenwohnungen keine Bedeutung – wachte er auf. Jemand tätschelte seinen Kopf. Er machte die Augen auf.
    »Gut geschlafen?«, fragte Mag aufgeräumt.
    Er brummte etwas.
    »Prima«, sagte sie und sprang aus dem Bett. »Wir haben eine Menge zu tun. Zuerst sammeln wir Knollen und holen Wurzelmilch zum Frühstück. Dann, nach dem Spülen, sollen wir Mumsie helfen Papier zu machen. In letzter Zeit sind so viele von uns Mädchen Höhlenfurien geworden, dass der Stoff für die Kleider ausgegangen ist. Und wenn du brav bist, machen wir einen Spaziergang«, fuhr sie fort ohne Atem zu holen. »Aber zuerst«, und sie fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare und sanft über die Wange, »zuallererst, mein süßer Twig, richte ich dich her, damit du auch schön bist.«
    Twig stöhnte leise und sah unglücklich zu, wie Mag sich an einem kleinen Schränkchen zu schaffen

Weitere Kostenlose Bücher