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Twig im Dunkelwald

Twig im Dunkelwald

Titel: Twig im Dunkelwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Stewart
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geschrieben.
    »Also?«, fragte Mag.
    Ihre Mutter verzog das Gesicht. »Mag«, sagte sie, »du stellst meine Geduld manchmal wirklich auf eine harte Probe. Aber … gut, meinetwegen.« Mag brach in Freudengeheul aus. »JEDOCH«, fügte Mumsie hinzu, » du bist für ihn verantwortlich, verstanden? Du gibst ihm zu fressen, du gehst mit ihm Gassi und wenn er sein Geschäft in der Höhle verrichtet, machst du hinterher sauber. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Kristallklar, Mumsie«, sagte Mag.
    »Und wenn ich ein einziges Wort von ihm höre«, fuhr Mumsie fort, »drehe ich ihm den Hals um, kapiert?«
    Mag nickte. Sie streckte die Hand aus und packte Twig an den Haaren. »Komm mit«, sagte sie.
    »Au!«, schrie Twig und schlug ihre Hand weg.
    »Er hat mich geschlagen«, heulte Mag sofort los. »Mumsie, er hat mich geschlagen – es hat mir wehgetan.«
    Ehe Twig noch einen klaren Gedanken fassen konnte, wurde er hochgerissen. Versteinert vor Angst, starrte er in die wilden, blutunterlaufenen Augen der Höhlenfrau. »Wenn du meinen kleinen Mondschein noch einmal schlägst, stößt, kratzt oder beißt, dann …«
    »Oder ihm sonstwie wehtust«, fiel Mag ein.
    »Oder ihm sonstwie wehtust, dann …«
    » Oder seine Gefühle verletzt.«
    »… ihm sonstwie wehtust oder seine Gefühle verletzt, dann …«
    »Oder versuchst wegzulaufen …«
    »Oder versuchst wegzulaufen«, wiederholte Mumsie, »dann bringe ich dich um!«
    Sie schüttelte Twig und ihr Papierkleid knisterte dabei. »Absoluter Gehorsam, verstanden?«
    Twig wusste nicht, ob er nicken sollte. Erwartete man von ihm, dass er ihre Sprache verstand, auch wenn er selbst nicht sprechen durfte? Mumsie drückte seine Weste mit ihrer großen Faust so fest zusammen, dass er ohnehin kaum Luft bekam. Dann schnaubte sie verächtlich und ließ ihn auf den Boden fallen.
    Twig behielt die beiden im Blick. Mag stand hinter ihrer Mutter und hielt artig die Hände gefaltet. Sie sah aus, als wollte sie zu Twig sagen: Siehst du, das hast du nun davon. Sie beugte sich vor und zog ihn noch einmal an den Haaren. Er wimmerte vor Schmerzen, doch stand er auf ohne sich zu wehren.
    »So ist es brav«, brummte Mumsie. »Wie soll er denn heißen?«
    Mag zuckte die Schultern und betrachtete ihr neues Spielzeug. »Wie heißt du denn?«, fragte sie.
    »Twig«, erwiderte er automatisch – und bereute es sofort.
    »Was war das?«, donnerte Mumsie. »Doch nicht etwa ein Wort?« Sie bohrte Twig den Zeigefinger in die Brust. »Kannst du vielleicht doch sprechen?«
    »Twigtwigtwigtwig«, stammelte er verzweifelt. Es sollte so wenig wie möglich nach einem Wort klingen. »Twigtwigtwig!«
    Mag legte ihm den Arm um die Schultern und sah lächelnd zu ihrer Mutter auf. »Ich nenne ihn einfach Twig.«
    Mumsie starrte Twig mit zusammengekniffenen Augen an. »Ein einziges Wort«, fauchte sie, »und ich reiße dir den Kopf ab.«
    »Twig ist jetzt sicher brav«, versicherte Mag. »Komm mit«, sagte sie dann. »Ich will mit dir spielen.«
    Sie zog ihn an den Haaren hinter sich her und Mumsie sah den beiden, die Hände in die Hüften gestützt, nach. Twig hielt den Kopf gesenkt. »Den behalte ich im Auge«, hörte er Mumsie noch rufen. »Verlass dich drauf.«
    Sie liefen weiter durch den Tunnel, bis Mumsie nicht mehr zu hören war. Über Treppen, Rampen und lange, abschüssige Stollen gelangten sie immer tiefer in die Erde hinein. Twig wurde ganz mulmig bei dem Gedanken an das Gewicht der vielen Erde und Steine über ihm. Was hinderte die Steine daran, ihn unter sich zu begraben?
    Dann plötzlich war der bedrückende Tunnel zu Ende. Verdattert sah Twig sich um. Sie standen in einer riesigen unterirdischen Höhle.
    Mag ließ seine Haare los. »Bei uns Höhlenfurien wird es dir bestimmt gefallen«, sagte sie. »Hier unten ist es nie zu heiß oder zu kalt, es regnet nie, es schneit nie und es weht kein Wind, es gibt keine giftigen Pflanzen und keine wilden Tiere …«
    Twigs Finger fassten automatisch an den Zahn um seinen Hals und eine Träne lief ihm über die Wange. Keine giftigen Pflanzen und keine wilden Tiere, dachte er. Aber auch keinen Himmel, keinen Mond … Das Mädchen stieß ihn unsanft in den Rücken, damit er weiterging. Und keine Freiheit.
    Die Höhle wurde wie auch der Tunnel von einem bleichen Schein erhellt. Den Boden unter seinen Füßen hatten Generationen von Höhlenfurien platt getrampelt. Hoch über ihm wölbte sich die Decke. Vom Boden bis zur Decke reichten lange, dicke, knorrige Wurzeln,

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