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Twig im Dunkelwald

Twig im Dunkelwald

Titel: Twig im Dunkelwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Stewart
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herunter. »Hast du gehört, Twig? Es geht los! Komm.«
    »Du brauchst keinen Begleiter«, sagte Mumsie.
    »Ach Mumsie, bitte, bitte, bitte!«, bettelte Mag.
    »Ich sagte doch, du brauchst ihn dort nicht. Und danach auch nicht mehr.«
    »Doch!«, beharrte Mag trotzig.
    Twig sah zwischen den beiden hin und her. Mumsie machte ein finsteres Gesicht, Mag lächelte.
    »Du würdest doch sicher gern mitkommen, oder?«, fragte sie.
    Twig erwiderte ihr Lächeln. Alles war besser als noch länger am Bett angeleint zu sein. Er nickte heftig mit dem Kopf.
    »Siehst du«, rief Mag triumphierend. »Ich hab’s gesagt.«
    Mumsie schnaubte. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass das Tier dich versteht …«
    »Bitte, Mumsie, bitte!«
    »Also gut, wenn es sein muss«, sagte Mumsie, des Streites überdrüssig, und faltete das Papier mit dem Bild zusammen. »Aber er bleibt an der Leine.« Sie drehte sich zu Twig um und starrte ihn mit ihren blutunterlaufenen Augen an. »Und wehe dir, wenn du meiner Mag den großen Tag verdirbst!«
    Draußen herrschte erwartungsvolle Aufregung. Auf den Wegen rund um den See wimmelte es von Höhlenfurien. Sie strebten alle in dieselbe Richtung. Einige waren Nachbarn, die Twig kannte, andere waren ihm fremd. »Sieh nur, von wie weit sie hergekommen sind«, rief Mag begeistert.
    Auf der anderen Seite des Sees kamen sie an einen hohen Zaun, der eine große runde Fläche umschloss. An dem bewachten Eingang lungerten zahlreiche dürre Höhlenmännchen mit verdrossenen Gesichtern herum. Mumsie drängte sich energisch zwischen ihnen durch und sie wichen wimmernd zur Seite.
    »Bleib dicht hinter mir«, befahl Mag und zerrte an der Leine.
    Zu dritt betraten sie den umzäunten Bereich. Von der drinnen versammelten Menge wurden sie mit lautem Beifall begrüßt. Mag schlug die Augen nieder und lächelte schüchtern.
    Twig konnte nicht glauben, was er vor sich sah. Von hoch oben hing ein gigantisches Wurzelgeflecht herunter, das sich über dem Boden fächerartig ausbreitete und eine gewaltige Kuppel bildete. Um die Kuppel herum standen Hand in Hand die Höhlenfurien und bildeten einen Kreis. Ihre tätowierte Haut leuchtete in dem fleischfarbenen Wurzellicht.
    Mumsie nahm Mag an der Hand. »Komm«, sagte sie.
    »Augenblick!«, sagte ein Wächter. »Tiere dürfen das innere Heiligtum nicht betreten.«
    Mumsie sah die Leine, die Mag sich um die Hand gewickelt hatte. »Natürlich nicht«, sagte sie. Sie nahm ihrer Tochter die Leine weg und band das Ende fest an eine knorrige Wurzel. »Du kannst ihn ja später abholen«, sagte sie und kicherte heiser.
    Diesmal protestierte Mag nicht. Wie in Trance schlüpfte sie in den Kreis der Hände, der sich unter die Kuppel aus Wurzeln schob. Nach Twig drehte sie sich nicht mehr um.
    Twig spähte zu den Spalten im Wurzelgeflecht. Genau in der Mitte des Doms kam senkrecht die Hauptwurzel herunter. Sie war dick und wulstig und leuchtete heller als die anderen. Mag – seine kleine Mag – stand mit dem Rücken zur Wurzel. Die Augen hatte sie geschlossen. Plötzlich begannen die Höhlenfurien im Sprechchor auszurufen:
     
    Oh! Mamamutter Bluteiche!
    Oh! Mamamutter Bluteiche!
     
    Immer wieder und immer lauter schrien sie, bis die ganze Höhle von dem tosenden Gebrüll erfüllt war. Twig hielt sich die Ohren zu. Mag begann sich vor der Hauptwurzel zu drehen und in den Hüften zu wiegen.
    Plötzlich verstummte der Lärm und Stille lag zitternd in der Luft. Mag drehte sich zu der Wurzel um, hob die Arme und blickte nach oben.
    »BLUTE FÜR MICH!«, rief sie.
    Ihre Stimme war noch nicht verklungen, als der Dom sich schlagartig verwandelte. Die Höhlenfurien hielten den Atem an. Die Wurzel, an der Twig festgebunden war, veränderte die Farbe und Twig sprang erschrocken zurück. Er sah sich um. Das ganze riesige Geflecht von Wurzeln erglühte in einem tiefen Blutrot.
    »Ja!«, rief Mumsie. »Die Zeit unserer Tochter Mag ist gekommen.«
    Sie zog einen kleinen Gegenstand aus den Falten ihres papierenen Kleids. Twig kniff die Augen zusammen um besser sehen zu können. Der Gegenstand sah aus wie ein Zapfhahn. Mumsie hielt ihn an die pulsierende rote Hauptwurzel und schlug ihn mit der Faust hinein. Dann lächelte sie Mag zu und wies auf den Boden.
    Mag kniete sich vor die Öffnung des Hahns, legte den Kopf in den Nacken und öffnete den Mund. Mumsie drehte den Hahn auf. Sofort schoss ein Strahl schäumend roter Flüssigkeit heraus. Er spritzte über Mags Kopf, über ihren Rücken und über ihre

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