Twin Souls - Die Rebellin: Band 2 (German Edition)

… «
    Ryan runzelte die Stirn. Wir hatten unsere Stimmen beide zu einem Flüstern gesenkt – das mussten wir –, aber seine wurde jetzt ein wenig lauter. » Sie hat dich irgendwo aufwachen lassen und dich dann einfach allein zurückgelassen? Wo bist du aufgewacht? «
    Ich nahm seinen Arm, erinnerte ihn mit einem Blick daran, dass wir nicht gehört werden durften. Ich dachte: Nein, ich bin Jackson küssend aufgewacht und dann hat sie mich allein zurückgelassen. Aber vielleicht war ich diejenige, die sie als Erste allein gelassen hatte, weil ich zu selbstsüchtig gewesen war, um über ihre Gefühle nachzudenken, während ich meine Ziele verfolgte.
    Egal, was ich mir einzureden versuchte, ich war einsam ohne Addie. Wir hatten unseren ersten Atemzug gemeinsam getan. Das Gesicht im Spiegel war ebenso ihres wie meines. Die blassen Narben auf unseren Händen, von dem Kaffee, den wir mit acht Jahren verschüttet hatten, die Schnitte von den Fensterscheiben, die wir mit fünfzehn zerschmettert hatten – sie gehörten uns beiden.
    » Es ist eine Sache zwischen Addie und mir, okay? « , sagte ich leise. Ryan zögerte, sein Blick glitt tastend über mich, bevor er zurück zu meinem Gesicht schweifte. Aber er nickte. Er akzeptierte es, weil er ebenfalls hybride war und es verstand. » Vince kam, und da Dr. Lyanne und Henri oben waren, konnte ich nicht … ich konnte dich nicht holen kommen. Und weil Dr. Lyanne die Treppe hinunter hinter mir herkam, konnten wir nicht länger warten. « Ich stieß einen frustrierten Seufzer aus. » Ich habe mir Sorgen um dich gemacht – darüber, was passieren würde, wenn wir erwischt würden – und habe mir so sehr gewünscht, dass du dann nicht dabei wärst. Und ich weiß nicht, ob mein Verhalten normal war oder nicht, aber so sah es in mir aus. Ich weiß nicht, was in einer Situation wie dieser überhaupt normal ist, Ryan. «
    Ich weiß nur, dass du mir wichtig bist, und ich möchte dich beschützen, und ich will niemals erleben müssen, dass du verletzt wirst.
    Ryan sah mich nicht mehr an. Warum konnte er nicht einfach wütend sein oder aufgebracht oder irgendwas? Ich hatte keine Ahnung, was er wollte oder was er gern von mir gehört hätte. War es etwas, das ich hätte wissen müssen? War es ein weiterer Aspekt des Lebens, den zu erlernen ich versäumt hatte?
    Ich wollte einfach nur das Richtige tun – was immer das war.
    Ich starb wiederholte Tode während des Schweigens, das auf meine Worte folgte.
    Dann lachte Ryan. Leise, aber er lachte. » Vor ein paar Monaten kam ein Mann im Anzug, um uns aus unserem Zuhause zu holen. Wir haben eine Woche in einer psychiatrischen Klinik verbracht und jetzt sind wir auf der Flucht vor der Regierung. Ich glaube, wir haben alles Normale ganz offiziell hinter uns gelassen. «
    Er musste flüstern, weil das alles natürlich streng geheim war, aber irgendwie erschien die ganze Sache durch das Flüstern noch viel alberner. Wie war es so weit gekommen? Wie war es dazu gekommen, dass Addie und ich den Biologiekurs für Fortgeschrittene gegen Sabines Notizen über Bombenbau eingetauscht hatten? Wie waren wir vom Highschool-Freshman zum Gesetzesflüchtling geworden?
    » Eva « , sagte Ryan. » Ich verstehe, dass du mich nicht dabeihaben wolltest, für den Fall, dass ihr geschnappt werdet. Aber glaub mir, falls du je geschnappt werden solltest, ist der einzige Ort, an dem ich sein will, der an deiner Seite. Okay? «
    » Ja « , wisperte ich. » Das gilt auch für mich. «
    Er nickte. Lächelte, hauchzart. » Du hast alle in Aufruhr versetzt, als du abgehauen bist. Dr. Lyanne hat uns immer wieder befohlen, ihr zu sagen, wo du wärst, und wir haben immer wieder behauptet, dass wir es nicht wüssten. «
    » Das hat sie euch abgenommen? « , fragte ich.
    » Ja. Hat sie. Warum auch nicht, stimmt’s? «
    » Warum auch nicht « , echote ich. Ich schwieg kurz. » Ryan, denkst du, wir sollten ihn nicht weiterverfolgen? Den Plan? «
    Er musterte mich mit gerunzelter Stirn. » Was? «
    » Vergiss es. Es ist nur … Ich hab nur … vergiss es. « Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Ich hatte mich in Ryans Gegenwart noch nie unwohl gefühlt. Besonders dann nicht, wenn Addie nicht dabei war. Aber jetzt musste ich ständig daran denken, wie sie reagieren würde, falls sie plötzlich zurückkam. » Ich sollte wieder nach unten gehen. Sophie wartet wahrscheinlich auf mich. «
    Er wusste, dass etwas im Busch war. Das sah ich. Aber er sagte bloß: » Gut. «
    Es entstand