Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
Tropenfisch-Aquarium wären diese 230 Quadratmeter mehr als geräumig gewesen, insbesondere angesichts der Wohnverhältnisse in San Francisco. Ich nahm mir vor, mir für diese Woche nichts vorzunehmen, um diesen flüchtigen Luxus voll und ganz auszukosten.
An dieser Stelle erscheint mir ein Blick auf meine Wohnsituation angebracht.
In den ersten achtzehn Jahren meines Lebens bewohnte ich ein Einzelzimmer im zweiten Stock der Spellman-Familienresidenz an der Clay Street 1799 im Nob Hill District von San Francisco. Danach lebte ich zehn Jahre in einer Dachwohnung (63 Quadratmeter) an derselben Adresse. Mit 28 beschloss ich, dass es an der Zeit war, von zu Hause auszuziehen, und wohnte zur Untermiete im Apartment (58 Quadratmeter) von Bernie Peterson, einem Polizei-Lieutenant a. D., der mit meinem (inzwischen verstorbenen) Onkel Ray befreundet war. Als Bernies Ehe letztes Jahr zu kriseln begann, zog er kurz entschlossen in sein Apartment zurück. Nachdem mir monatelang diverse Leute widerwillig Unterschlupf gewährt hatten, wurde mir klar, dass ich mir eine eigene Bleibe mit eigenem Mietvertrag suchen musste. Und so geriet ich an dieses Einzimmerapartment (32 Quadratmeter) im Tenderloin District, wo ich zur Zeit hause. Meine Winzklitsche wird von zwei anderen Winzklitschen in die Zange genommen, in der einen wohnt ein pensionierter Lehrer, der entsetzlich schnarcht (Hal), und in der anderen eine Dreißigjährige, die entweder dem horizontalen Gewerbe nachgeht oder nachts auffallend viele Freunde empfängt. Ich schlafe nicht gut in meinem Apartment, wobei es sich dort nur schlafend aushalten lässt. Das erklärt vielleicht, warum ich mich so freute, vier Wochen Urlaub von meinem wirklichen Leben machen zu können.
Nachdem ich einige Zeit damit verbracht hatte, Davids Hausbar auseinanderzunehmen und umzusortieren 27 , fing ich mit den Nachforschungen an. Zunächst einmal stellte ich das Arbeitszimmer meines Bruders auf den Kopf, um Spuren seiner Reisevorbereitungen zu finden. David ist der Typ beflissener Bildungsreisender, der niemals in ein fremdes
Land fährt, ohne sich zuvor eingehend mit dessen Sprache, Kultur und den wichtigsten Sehenswürdigkeiten befasst zu haben. Ich rechnete mindestens mit einer Kassettensammlung Italienisch für Anfänger und dem einen oder anderen Reiseführer. Stattdessen fand ich eine Pistole.
Die Waffe befand sich keineswegs dort, wo man sie am ehesten vermuten würde. Das sollte ich nicht unerwähnt lassen. Sie war mit Klebeband an der Rückseite von Davids unterer rechter Schreibtischschublade befestigt. Das verwirrte mich aus mehreren Gründen:
A) David war nie der Typ Mann, der gern mit Pistolen hantiert oder sie auch nur an merkwürdigen Orten hortet. B) David macht sich so wenig aus Waffen, dass er höchstens Pfefferspray verwenden würde. C) Es gab noch einen dritten Grund, den ich allerdings in der Aufregung vergaß. Immerhin hatte ich eben eine Pistole entdeckt.
Offen gesagt hatte ich keine Ahnung, was die Pistole bedeutete. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nur, dass David sicher nicht in Italien war – und dass meine Nachforschungen noch lange andauern würden.
WEG VON DER STRASSE
Neben meinem Bruder und meinem neuen Klienten, Ernie Black, hatte ich noch einen weiteren Fall, den ich vielleicht am dringendsten klären musste – schließlich ging es um Leben und Tod.
Morty und ich hatten uns für diesen Dienstag in einem Diner an der Market Street verabredet. Da Morty wie David in Russian Hill wohnt und er somit keinen Verdacht schöpfen würde, bat ich ihn, mich abzuholen.
Mein greiser Freund stand bereits um Viertel vor zwölf auf der Matte – das ist auch so ein Symptom fürs Älterwerden, dass man die Mahlzeiten immer früher einnimmt. Bevor ich in Mortys Cadillac stieg, nahm ich die Karosserie in Augenschein. Am vorderen Kotflügel fiel mir ein Kratzer auf, die hintere Stoßstange war leicht verbeult. Außerdem war das Auto dreckig, was mich persönlich zwar nicht stört, aber für Morty ganz und gar untypisch war. Ein weiteres Anzeichen von Verwahrlosung.
Ich stieg ein, nahm Morty die Brille von der Nase und putzte sie.
»Siehst du nicht, wie schmutzig deine Gläser sind?«, fragte ich. »Du hast sie doch direkt vor Augen.«
»Ich habe ganz andere Sorgen«, antwortete er. Dann riss er mir die Brille aus der Hand, setzte sie wieder auf und schoss auf die Straße vor, ohne in den Rückspiegel zu gucken. Zum Glück kam kein anderes Auto. Die Frage ist nur, wie oft
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