Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
hatte. Während dieser flüchtigen Regressionsphase konnte ich das Treiben eines verdächtigen Nachbarn aus der Vogelperspektive
beobachten. Nennen wir diesen Nachbarn einfach John Brown, denn es stellte sich heraus, dass das sein richtiger Name ist. Die Geschichte ist zu lang, um
hier erzählt zu werden 23 , aber ich hatte allen Grund, Nachforschungen anzustellen, auch wenn ich dem verdächtigen Nachbarn dabei vielleicht zu stark auf die Pelle rückte – jedenfalls stärker, als es Gesellschaft und Gesetze erlauben. Es wurde eine Unterlassungsverfügung erwirkt (gegen mich), und plötzlich steckte ich ganz tief in der legalen Patsche. (Meinen hochbetagten Anwalt haben Sie einige Seiten zuvor bereits kennengelernt.)
Es ist schon schlimm genug, von einer solchen Verfügung betroffen zu sein. Noch schlimmer wird es, wenn man dagegen verstößt. Sollten Sie so etwas jemals in Betracht ziehen, rate ich Ihnen eins: Lassen Sie es bleiben.
Zurück zum Therapie-Thema. Dazu muss man wissen, dass mein Vater als Ex-Polizist gewisse Beziehungen hat, genau wie mein greiser Verteidiger, und so
brachten sie den Staatsanwalt mit vereinten Kräften zur Einsicht, dass eine gerichtlich verfügte Therapie der beste Weg sei, um mit »einer so schwierigen
Person wie Isabel« 24 fertig zu werden. Ich wurde dazu verdonnert, drei Monate lang einmal wöchentlich zum Psychologen oder Psychiater zu gehen. Die Therapie sollte ich spätestens nach Ablauf von drei Monaten beginnen, eine Frist, die ich bis zum Anschlag ausreizte.Rückblickend wird mir klar, dass ich mehr Initiative zeigen und mir selbst einen Therapeuten hätte suchen sollen, statt meiner Mutter die Wahl zu überlassen. Über den erschreckend sanftmütigen Dr. Ira kann ich höchstens ein paar lauwarme Worte verlieren, doch eines weiß ich bestimmt: Für mich war er nicht der Richtige.
Elf Wochen und drei Tage nach diesem Gerichtsbeschluss ließ ich mir für den kommenden Montag einen Termin um elf Uhr geben. Auf dem Weg zur Praxis wurde ich von Dad angerufen, der glaubte, mir wertvolle Ratschläge erteilen zu müssen.
»Manchmal lassen sie eine gewisse Zeit verstreichen, bevor sie zu sprechen anfangen«, erklärte er. »Du solltest dann auf keinen Fall stumm und trotzig dasitzen. Vielleicht musst du den Anfang machen. Verstehst du?«
»Wer spricht da?«, erwiderte ich.
Dad seufzte: »Gib mir ja nicht die Schuld an deinen Problemen.«
»Aber nein«, sagte ich, »ich werde Mom die Schuld geben.«
Die Praxis von Dr. Ira Schwartzman lag (und liegt sicher immer noch) an der Market Street, direkt am Ausgang des Bahnhofs Montgomery Street. Offenbar war eine gute Verkehrsmittelanbindung für meine Mutter das entscheidende Kriterium gewesen, als sie den Therapeuten auswählte. Die Praxis war ganz anders als das, was man aus dem Kino und Fernsehen kennt. Das Wartezimmer hatte in etwa die Ausmaße eines Kleiderschranks. Darin standen zwei Stühle mit Stoffbezug und ein Couchtisch aus Holz, alle von Verfall gezeichnet – Kaffeeflecken, abgestoßene Kanten, rissige Oberflächen.
Dr. Ira Schwartzman öffnete seine Sprechzimmertür.
»Isabel?«, fragte er.
»Die bin ich«, sagte ich und stand auf.
Der Doktor komplimentierte mich in einen Raum hinein, der kaum größer war als der Warteschrank. Die Möbel waren eine Spur wertiger, aber genauso heruntergekommen. Dass die Praxis so wenig filmkompatibel war, machte das Erscheinungsbild des Psychiaters locker wieder wett: bequeme Treter, beige Cordhose, weißes Hemd und braune Strickjacke mit Ellbogenflicken. Dr. Schwartzmans gütiges, runzliges Gesicht signalisierte, dass man ihm alles, wirklich alles anvertrauen könne, ohne sein Urteil fürchten zu müssen. Doch leider sah mein Plan vom ersten Tag an vor, ihm gar nichts anzuvertrauen.
Dr. Schwartzman ließ sich in seinem bequemen Ledersessel nieder, legte eine winzige Kassette in einen winzigen Rekorder ein (er war noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen) und fragte mich, ob es mir etwas ausmache, wenn er unsere Sitzung aufnehme. Er erklärte mir, manchmal käme er gern auf bestimmte Themen zurück, um seinen Patienten besser gerecht zu werden. Ich erteilte ihm die Erlaubnis, holte dann meinen digitalen Mini-Rekorder hervor und fragte ihn, ob es ihm denn etwas ausmache, wenn ich die Sitzung ebenfalls aufnehme. Dr. Ira schien erfreut, wahrscheinlich dachte er, dass ich die Therapie besonders ernst nahm. Da ich ihm zu diesem Zeitpunkt noch keine Illusionen rauben wollte,
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