Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
der Schulzeit kannten. Es kam ihm jedoch seltsam vor, dass eine Politikergattin so viel Zeit mit der Frau eines Autowerkstattbesitzers verbrachte. Für meinen Geschmack legte Ernie zu viel Wert auf Statusfragen, aber er war schließlich älter – fünfundfünfzig, seiner Kreditauskunft nach –, und vielleicht spielten solche Fragen in seinem Umfeld eine größere Rolle.
Ernie gab mir die wichtigsten Daten seiner Frau, damit ich bei Bedarf ihren Hintergrund überprüfen konnte, auch wenn er das keineswegs für nötig hielt. Er wollte bloß sichergehen, dass seine Ehe nicht gefährdet war. Falls sie wirklich nur stark ausgedehnte Mittagspausen mit einer alten Freundin verbrachte, würde er sich beruhigt zurücklehnen. Es ging ihm allein um die Klärung der Frage, ob seine Frau eine Affäre hatte oder Ladendiebstahl beging oder Drogen vertickte. Sobald ich das geklärt hätte, wäre der Fall abgeschlossen.
Angesichts seiner jüngsten Verdachtsmomente fragte ich Ernie, ob er seiner Frau nicht mal gefolgt sei, um zu sehen, ob sie wirklich nur mit einer Freundin zum Lunch verabredet war. Seine Antwort war: »So etwas würde ich niemals tun.«
Diese Art von Doppelmoral fasziniert mich.
Just als ich Dienstag nach einer dreistündigen Durchsuchung von Davids Haus Feierabend machen wollte, rief Ernie an, um mir mitzuteilen, dass seine
Frau sich am nächsten Tag mit Sharon treffen wollte. Den Namen sprach er so aus, als handle es sich um eine imaginäre Person. Ob imaginär oder real,
würde sich bald herausstellen. Ich versprach ihm, mich am nächsten Morgen um 10.30 Uhr 29 vor seinem Haus einzufinden.
Ich sagte es bereits: Observierungen sind sterbenslangweilig. Ganz anders als in den Filmen, die Sie kennen. Wenn man einen gewöhnlichen Menschen in Echtzeit beobachtet, gibt es in der Regel nichts Spannendes zu sehen. Genau wie bei mir oder Ihnen.
Linda Black trat um 11.10 Uhr aus dem Haus und stieg in ihr Auto – einen zehn Jahre alten Honda Civic. Ihre roten Haare, lang und gewellt und von
einer schlichten Spange gehalten, wiesen vorn bereits blasser werdende Stellen auf. Die Frau war schätzungsweise 1,68 Meter groß und schlank, aber nicht
dürr. Ihr Gesicht war von Sommersprossen bedeckt. Von weitem sah sie aus wie Mitte dreißig, aus der Nähe betrachtet machte sich ihr wahres Alter (45)
stärker bemerkbar. Offenbar hatte sie sich nie vor der Sonne in Acht genommen: Durch mein Fernglas konnte ich die Krähenfüße erkennen, die ihre Augen
einrahmten. Ihre Stirn warvon Linien durchzogen. Das alles änderte nichts an ihrer attraktiven Gesamterscheinung. Sie schien sich in ihrer Haut wohl zu fühlen.
Linda fuhr von ihrem Haus in San Bruno (im Süden der Stadt) ins Zentrum von San Francisco. Dort parkte sie ihr Auto im Macy’s -Parkhaus und fuhr mit dem Lift in den obersten Stock, wo sie eine halbe Stunde beim Lunch mit jener Frau verbrachte, die Ernie als Sharon Bancroft bezeichnete (sie sah aus wie die Hollywood-Version einer Kongressabgeordnetengattin).
Sharon war zwar im gleichen Alter wie Linda, nahm aber offenbar den Prozess nicht so entspannt hin. Mit ihrem blassen Teint und unbewegten Gesicht sah sie aus wie eine Porzellanpuppe. Ich tippte auf Botox, möglicherweise in Kombination mit Appetitzüglern, ihrem ausgemergelten Körper nach zu schließen sowie der Art, wie sie in ihrem Salat herumstocherte.
Ich hätte diese beiden Frauen gar nicht zu beschatten brauchen, um festzustellen, dass sie nicht zueinander passten. Es war auch kein Fall von Gegensätzen, die sich anziehen. Linda und Sharon wirkten verkrampft, ihre Unterhaltung bemüht.
Nach dem Essen gingen die beiden shoppen. Besser gesagt: Sharon zeigte Linda eine Reihe von Artikeln, Linda schüttelte immer wieder den Kopf, bis Sharon schließlich den Sieg davontrug und ihr einen Schal kaufte. Dann fuhren die Frauen mit dem Lift ins Parkhaus und nahmen dort Abschied voneinander. Sobald Sharon außer Sichtweite war, ging Linda ins Kaufhaus zurück und tauschte den Schal gegen einen Gutschein um. Als ich später ähnliche Schals unter die Lupe nahm, sah ich, dass der Preis bei 500 Dollar lag.
An dieser Freundschaft war irgendwas faul, auch wenn ich noch nicht wusste, ob das Nachforschungen rechtfertigte.So seltsam die Beziehung der beiden Frauen anmutete, so wenig war vorauszusehen, was sich überhaupt aufdecken ließ. Die Möglichkeiten einer Observierung sind nun mal begrenzt.
Da ich Ernie Zusatzkosten ersparen wollte, schrieb ich
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