Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
Deutungsversuchen beeinflussen zu lassen. So erfuhr ich, dass seine Frau oft unter einem dürftigen Vorwand stundenlang verschwand. Ernie hakte in diesen Fällen nie nach, denn er wollte sie nicht unter Druck setzen. Nach diesen mysteriösen Eskapaden tauchten außerdem immer neue teure Kleidungsstücke und Kosmetikartikel auf, ohne dass ihre gemeinsame Kreditkarte belastet wurde. Also musste das Geld aus einer anderen Quelle stammen.So viele Stunden, die sie ohne ihn verbrachte – da musste sie doch irgendetwas anstellen. Ernie schwante nichts Gutes, trotzdem sagte er sich, dass er bloß Gespenster sah. Erst als er am vergangenen Wochenende seine Garage aufräumte und eine Schuhschachtel mit 3000 Dollar in bar fand, entschied er sich, der Sache nachzugehen.
Ich fragte Ernie nach seinen Vermutungen, und er überreichte mir ein Blatt Papier, auf dem seine Erklärungsversuche handschriftlich aufgelistet waren, in absteigender Reihenfolge von seiner Lieblingshypothese bis zu seinem schaurigsten Verdacht:
A) Es wird sich alles in Wohlgefallen auflösen.
B) Linda ist Kleptomanin.
C) Linda hat eine Affäre mit einem Mann, der sie mit Geld und Geschenken verwöhnt.
D) Linda hat eine Affäre und ist außerdem Kleptomanin.
Obwohl ich keine Linda-Expertin war, wollte ich Ernie nicht ohne einen Funken Hoffnung ziehen lassen. Ich sagte ihm, dass Option D) äußerst unwahrscheinlich war. Dann stellte ich ihm eine Frage, die meine Mutter immer stellt, bevor sie einen solchen Fall übernimmt.
»Was werden Sie tun, Ernie, wenn wir herausfinden sollten, dass Ihre Frau eine Affäre hat?«
Ernie las die Antwort von seinen Schuhspitzen ab: »Dann suchen wir wohl am besten eine Eheberatung auf.«
Dass er so ruhig reagierte, bestärkte mich in meinem Entschluss. Natürlich kann man nie voraussehen, wie Menschen sich im Ernstfall verhalten, aber ich hätte einen Wochenlohn darauf gewettet, dass Ernie ein friedfertiger Mann war. Und so übernahm ich den Fall.
Über Geld sprachen wir nur kurz, da Ernie nicht vielhatte. Ich würde ihm die Hälfte meines normalen Satzes berechnen, also ein Viertel dessen, was meine Eltern für vergleichbare Aufträge verlangten. Ernie machte damit ein echtes Schnäppchen, wobei der Job recht einfach zu werden versprach. Ich würde mich bereithalten, wenn seine Frau die nächste Eskapade plante.
Für mich war das keine Herzensangelegenheit – um das gleich klarzustellen. Das war nur ein Gefallen, den ich einem Freund von Milo erwies. Es bedeutete keineswegs die Rückkehr in meinen alten Beruf. Das redete ich mir jedenfalls ein.
THERAPIESITZUNG NR. 10
(THERAPEUT NR. 1: DR. IRA SCHWARTZMAN)
[Teiltranskription wie folgt:]
ISABEL : Diese Woche ist auch nicht anders verlaufen als die anderen.
DR. IRA : Es ist also nichts Besonderes vorgefallen?
ISABEL : Nein. Es war eine stinklangweilige Woche.
DR. IRA : Aha. Und wie finden Sie das?
ISABEL : Großartig.
DR. IRA : Es belastet Sie also nicht?
ISABEL : Nein.
DR. IRA : Sie wollen sich nichts von der Seele reden?
ISABEL : Nein.
DR. IRA : Sind Sie ganz sicher? ISABEL : Lassen Sie mich mal überlegen.
[Lange Pause. 22 ]
ISABEL : Ach, jetzt fällt mir etwas ein.
DR. IRA : Fahren Sie fort.
ISABEL : Nur noch zwei Wochen.
DR. IRA : Wie bitte?
ISABEL : Nur noch zwei Wochen bis zur letzten Sitzung meiner gerichtlich verfügten Therapie.
[Dr. Ira blättert seine Notizen durch.]
DR. IRA : Sie haben völlig recht, Isabel.
ISABEL : So werden sich unsere Wege bald wieder trennen.
DR. IRA : Soll das etwa heißen, dass Sie die Therapie nach dieser letzten Sitzung nicht fortsetzen wollen?
ISABEL : Exakt.
DR. IRA [enttäuscht]: Aha.
ISABEL : Das sollten wir feiern.
DR. IRA : Ich verstehe nicht ganz?
ISABEL : Wie wird das Ende einer Therapie traditionell gefeiert?
DR. IRA : Dafür gibt es keine Tradition.
ISABEL : Ich würde gern einen Kuchen mitbringen. Am besten bestelle ich ihn schon heute, damit wir was richtig Gutes bekommen.
DR. IRA : Ich denke, wir sollten uns lieber auf die nächsten paar Sitzungen konzentrieren.
ISABEL : Mögen Sie Kuchen etwa nicht?
DR. IRA : Kuchen scheint mir nicht angebracht zu sein.
ISABEL : Warum denn nicht?
DR. IRA : Beantworten Sie mir diese eine Frage, Isabel: Glauben Sie wirklich, dass Sie Fortschritte gemacht haben?
WIE ICH BEIM THERAPEUTEN LANDETE
Vor anderthalb Jahren bin ich für kurze Zeit wieder bei meinen Eltern eingezogen, in die Dachwohnung, wo ich fast mein ganzes
Erwachsenenleben verbracht
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