Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
zehn Minuten sicher sein durfte, dass alle Beteiligten inzwischen davongefahren waren, sprang ich in den Bus. Statt frischer Luft brauchte ich nämlich dringend eine Mütze voll Schlaf. Damit sie möglichst großzügig ausfiel,fuhr ich mit dem Geary Bus zum Financial District und schlief, bis der Busfahrer mich an der Endstation wach rüttelte. Danach fuhr ich mit dem Taxi in meine tatsächliche Wohngegend. Ein teurer Spaß, dem ich immerhin ein bisschen Erholung verdankte.
Der Fahrer setzte mich an der Ecke Jackson und Leavenworth Street ab, laut Erinnerungstützzettel der letzte bekannte Standort meines Autos. Von dort aus irrte ich durch die Nebenstraßen auf der Suche nach dessen neuem unbekanntem Standort. An der Ecke Clay und Jones Street wurde ich fündig, notierte mir die Koordinaten, zog die Kassette aus der versteckten Kamera und ging zu Fuß nach »Hause«.
Als ich um die Ecke bog, sah ich David auf der vorderen Veranda stehen, im Gespräch mit einem Mann, der mir bekannt vorkam, vermutlich einer der Nachbarn. Aus dem Haus drangen Gesprächsfetzen und laute Musik – mein Bruder feierte eine Party und hatte mich nicht mal eingeladen! Überall wimmelte es von Leuten, die jeden Einschleichversuch vereitelt hätten. Ich entschied mich dagegen, Davids Fete als ungebetener Gast zu sprengen, und zog wieder ab.
WILLKOMMEN ZU HAUSE
Auf diese Weise kam ich doch noch dazu, mir die Beine zu vertreten. Nach einem zwanzigminütigen Fußweg erreichte ich die Spellman-Residenz, gerade rechtzeitig, um einem Stummfilmdrama erster Güte beizuwohnen: Meine Mutter, mein Vater und meine Schwester saßen eisern schweigend am Esszimmertisch.
Mein fröhliches »Hallo« wurde mit einem Murmeln quittiert.
»Was ist los?«, fragte ich.
Die drei am Tisch wechselten einen finsteren Blick.
»Wir halten gerade eine Familienratssitzung ab«, erklärte Mom.
Normalerweise flößte mir dieser Satz Furcht und Grauen ein, aber das lag daran, dass die Sitzungen sonst immer nur zu meinen Ehren abgehalten wurden. Da es diesmal eine andere traf, setzte ich mich in erwartungsfroher Spannung dazu.
Meine Eltern sahen mich vielsagend an, und Dad bat mich, ein paar Minuten im Nebenzimmer zu warten, bis die Sitzung beendet war.
Statt ins Wohnzimmer ging ich schnurstracks ins Büro, legte die Videokassette in die Kamera meiner Eltern ein und schloss sie an einen der Computer an. Wenn ich Pech hatte, würde ich ein fast vierundzwanzig Stunden langes Video miesester Qualität sichten müssen, in dem mein leerer Fahrersitz die einzige Rolle spielte. Ich spulte etliche Stunden im Schnelldurchlauf vor, bis ich das Auto fahren sah, und spulte langsam zurück, um den Übeltäter auf frischer Tat zu erwischen. Danach sah ich mir den entsprechenden Teil in Echtzeit und mit Ton an.Ein junges Mädchen – unverkennbar meine Schwester – öffnet die Fahrertür mit einem regulären Schlüssel (sie hatte ihn bestimmt nachmachen lassen). Kaum sitzt sie hinterm Steuer, zückt sie das Handy:
RAE : Hi, ich bin’s. Sitze jetzt im Auto ... Izzy scheint einen stinkreichen neuen Freund zu haben, den sie uns verheimlicht ... In letzter Zeit parkt sie nur noch in Russian Hill ... Ich bin in einer Viertelstunde da, plus/minus ... Wer ist schon besoffen? ... Madison? Die ist doch dauernd besoffen.
Danach fährt Rae zu einem Haus im Westen der Stadt und steigt aus. Ich muss gut zwei Stunden vorspulen, bevor sie mit drei sturzbetrunkenen Teenagern im Schlepptau zum Auto zurückkehrt. Anschließend setzt sie alle drei der Reihe nach vor ihrer jeweiligen Haustür ab, beim dritten muss sie zwischendurch rechts ranfahren, damit er sich übergeben kann. (Davon ist zwar nichts zu sehen, aber Raes Bemerkung »Pass auf, dass deine Kotze nicht im Auto landet« sagt mehr als tausend Bilder.) Zwischendurch kassiert meine Schwester Geld für ihren Chauffeurdienst. Zum Schluss fährt sie nach Russian Hill zurück und sucht etwa fünfunddreißig Minuten nach einem Parkplatz. Ende der Handlung. Ich stöpselte die Kamera aus dem Computer, steckte die Kassette wieder in meine Tasche und kehrte ins Esszimmer zurück. Dort saßen Mom und Dad inzwischen allein am Tisch.
»Wo ist Rae?«, fragte ich kampflustig. »Ich muss unbedingt mit ihr sprechen.«
»Du findest sie oben in ihrem Zimmer. Dort wird sie eine ganze Weile bleiben, denn sie hat Hausarrest«, sagte Mom.
»Was hat sie denn verbrochen?« Angesichts dieser Neuigkeit ließ meine Wut etwas nach. Für Rae konnte es – vom
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