Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
Anlass einen schwarzen Zylinder zu seinem weißen T-Shirt trug, seinen Laptop mit einem erbärmlich schwachen Projektor, um anhand einer Zeichentrickfigur namens Celly Tweets der Nutzer zu zeigen. Jack lief immer wieder zu einem Spirituosenladen um die Ecke und holte billigen Wodka und Plastikbecher.
Noah arbeitete zwar nicht mehr für Twitter oder die Überreste von Odeo, war aber nach wie vor mit einigen ehemaligen Kollegen befreundet und half ihnen gern, wo er nur konnte. Aber an diesem Abend war er weniger wegen Twitter als wegen des Rave gekommen und entsprechend gekleidet: Er sah aus, als käme er geradewegs aus einem Geisterhaus, trug pinkfarbene Bänder um Handgelenke und Hals und hatte sich schwarze Streifen über die Lippen gemalt.
Als alles so gut wie fertig war, zog Jack sein Handy aus der Tasche und twitterte: »Bin auf der Loveparade After Party und baue den Twitter-Stand auf.«
Ihr Plan sah vor, kostenlos Getränke auszugeben und Twitter-Handzettel zu verteilen, um Leute zur Anmeldung zu bewegen. Die ersten Tweets verkündeten, dass Massive Attack, Junkie XL und DJ Shadow gerade spielten. Genau das, wofür Twitter ursprünglich entwickelt worden war. Aber schon bald nahm die Sache eine katastrophale Wende.
Seltsam gekleidete oder halb nackte Raver, viele auf diversen Drogen – Pilzen, Ecstasy, Acid –, wirbelten am Twitter-Stand vorbei,nahmen die kostenlosen alkoholischen Getränke, die Jack mischte, und ließen sich dafür einen Twitter-Flyer in die Hand drücken. Das war aber auch schon alles. Die Wenigen, die genügend bekleidet waren, um den Handzettel einzustecken, verloren ihn wahrscheinlich im Laufe der Nacht. Andere trugen nur Unterwäsche und Schuhe mit hohen Plateausohlen, die sie 30 Zentimeter größer machten, und warfen ihre Handzettel so zerknüllt weg, dass sie wie kleine Meteore auf dem Boden landeten.
Jedes Mal, wenn Jack auf dem Computer nachschaute, wie viele neue Nutzer twitterten, sah er nur spärliche Neuanmeldungen. Der Abend lief nicht wie geplant. Dennoch mixte er weiter Getränke, verteilte Handzettel und schaute prüfend auf den Monitor.
Während Jack den Barkeeper spielte, tanzte ein Raver an Rays Computer heran, sah sich die Twitter-Animation auf dem Projektor an, stieß versehentlich an den Tisch und warf einen vollen Cocktail um, der sich über den Rechner ergoss. Alles wurde schwarz. Der Computer war tot. Ray war außer sich, und nachdem Freunde ihn zu trösten versucht hatten, ging er hinaus, um sich zu beruhigen, musste aber feststellen, dass jemand sein brandneues Fahrrad gestohlen hatte.
Danach wurde alles nur noch schlimmer. Jack war den ganzen Tag herumgerannt, um die große Twitter-Präsentation zu organisieren, und da er alles hatte allein machen müssen, war er erschöpft und aufgeregt gewesen. Um seine Nerven zu beruhigen, hatte er einen Red-Bull-Wodka nach dem anderen gekippt. Als Jeremy am späteren Abend kam, um beim Verteilen der Handzettel zu helfen, war Jack bereits so betrunken, dass er schwankte.
Sobald sie die letzten Handzettel verteilt hatten und die Wodkaflaschen nur noch Tropfen hergaben, gingen Jack und sein fröhliches Ravergrüppchen in den Saal. Nach getaner Arbeit tanzten sie zu den monotonen Techno-Beats und reckten die Arme in die Luft nach den Laserlichtern, die über ihnen wie Sterne dahinschossen. Noch mehr Wodka, mehr Red Bull, wobei die elektronische Musik den Rhythmus für jeden Drink vorgab. Jack war noch betrunkener als zuvor. Betrunkener als je zuvor in seinem Leben.
Beim Tanzen kam ein Mädchen, aufgeputscht und betrunken, näher und schlang ihren Arm um Jack. Orientierungslos legte er ebenfalls den Arm um sie. Und so taumelten sie beide zu Boden, und Jack knallte bei seiner schwankenden Verbeugung mit dem Kopf auf den Beton.
Als er sich schließlich wieder aufrappelte, blutete er an der Stirn. Er lachte, als alle ihn mit offenem Mund anstarrten. Seine Kollegen hatten noch nie erlebt, dass Jack sich derart »gehen ließ«. Er strahlte, als Ray einen Schnappschuss von ihm mit blutüberströmten Wangen machte.
Noah, der ebenfalls schon sinnlos betrunken war, kam sofort herbeigelaufen. »Leg dich hin! Du musst dich hinlegen«, brüllte er Jack leicht panisch an. »Deinem Kopf könnte was passiert sein.« Er lief los, um einen Sanitäter zu holen. Innerhalb von Minuten lag Jack mit einer Halskrause auf einer Trage, wurde aus dem Saal in einen Rettungswagen und dann ins Krankenhaus gebracht. Rotlichter blinkten auf den
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