Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
guten Vorsätzen gepflastert ist.
Innerhalb von Tagen löste das Programm immer wieder Alarmsignale aus, die sich nicht abstellen ließen, und überhäufte das Technikerteam mit Fehlermeldungen. Nachts klingelte, vibrierte oder summte das Handy auf ihrem Nachttisch – manchmal alle paar Stunden, zuweilen sogar alle paar Sekunden –, und Twitter forderte Hilfe an, da der Dienst wieder einmal ausgefallen war. Mehrmals waren die Probleme so schwerwiegend, dass Jeremy und Blaine beim Aufwachen mehr als tausend Fehlermeldungen von Twitter-Servern wegen eines Problems vorfanden, das zum Ausfall der Internetseite geführt hatte.
Twitter-Nutzer beklagten sich ebenso oft wie die Server. In einem Fall entschloss sich eine Gruppe treuer Twitter-User zu einem Online-Boykott. Sie verkündeten – natürlich auf Twitter –, dass sie den Dienst 24 Stunden lang meiden würden, um ihrer Missbilligung Ausdruck zu verleihen, dass die kostenlose Webseite ständig ausfalle. Als eine andere Gruppe von Twitter-Anhängern von dem Boykott erfuhr, beschloss sie noch am selben Tag, kostenlos Pizzasin das Büro am South Park 164 zu schicken, um dem Dienst ihre Zuneigung zu beweisen.
Aber auch noch so viele Pizzas konnten Twitters Mängel nicht beheben, der Dienst war einfach von Anfang an verkorkst.
Als die Lage sich verschlimmerte, sprach Biz sie im Firmenblog an.
»Twitter. Ist. Langsam. Das ist uns schmerzlich bewusst«, schrieb er in einem Posting mit der treffenden Überschrift »Die Schildkröte und Twitter«. »Die Langsamkeit erwächst aus der erheblichen Popularität, was eine bittersüße Situation schafft. Wir wollen euch informieren, was wir tun, um die Lage mehr süß als bitter zu machen.«
Die Langsamkeit änderte jedoch nichts an Twitters Wachstum. Ständig meldeten sich neue Nutzer an. Die Presse berichtete weiter – manchmal positiv, manchmal negativ. Der Dienst wuchs weiter. Alle zwei Wochen verdoppelte sich die Zahl der Nutzer. Der »Miniblog ist das Tagesgespräch im Silicon Valley«, schrieb die Financial Times in einer Titelstory ihrer Printausgabe. Die Zeitschrift BusinessWeek brachte ein Porträt. Die Zeitschrift Time bezeichnete Twitter als eine der 50 Top-Internetseiten. »Verbreite, wo du bist und was du gerade hier und jetzt machst, indem du per Handy eine SMS schickst«, hieß es in dem Artikel. Tageszeitungen, Fernsehsender und Blogs außerhalb der IT-Szene griffen die Geschichte auf. Obwohl der Dienst noch nicht für seinen großen Bühnenauftritt gerüstet war, bekam er ihn.
Die Twitter-Mitarbeiter bemühten sich nach Kräften, den Dienst in Gang zu halten, und reduzierten das Angebot der Webseite, statt neue Merkmale hinzuzufügen. Unterdessen beschlossen einige treue Technikbegeisterte auf Twitter, den Mangel an neuen Merkmalen in die eigenen Hände zu nehmen, und so tauchten zwei neue seltsame Elemente immer häufiger im Twitter-Stream auf: die Symbole @ und #.
Im Programmiererjargon verwendeten Software-Entwickler das @-Zeichen, um sich mit anderen auf einem Server auszutauschen,daher war es durchaus nachvollziehbar, dieses Zeichen auf Twitter zu übertragen. Erstmals benutzte der junge Apple-Designer Robert Andersen das Symbol, als er am 2. November 2006 seinem Bruder auf Twitter antwortete und ein @ vor dessen Namen setzte. Nach und nach drang es in den Twitter-Jargon ein. Es dauerte nicht lange, bis Nutzer sich nicht mehr mit ihren Vornamen, sondern mit ihren Twitter-@-Namen ansprachen. Die neue Kommunikationsmethode wurde so populär, dass der Twitter-Programmierer Alex Payne Anfang Mai einen neuen Tab auf der Twitter-Seite einfügte, der @-Antworten von Nutzern zeigte.
Außerdem gab es das Doppelkreuz oder Pfundzeichen, Hashtag genannt, das bis dahin vorwiegend bei Telefonen beim Abhören des Anrufbeantworters zur Anwendung kam. Beim Fotosharing-Dienst Flickr verwendeten Nutzer Hashtags manchmal, um Bilder mit ähnlicher Thematik zu Gruppen zu ordnen. So hatten Nutzer Aufnahmen von Waldbränden in San Diego, Kalifornien, auf Flickr eingestellt und mit dem Tag »#sandiegofire« versehen. Der Designer Chris Messina, der im Silicon Valley lebte und mit vielen Twitter-Mitarbeitern befreundet war, fing an, das Symbol auf Twitter zu verwenden, und schon bald griffen andere es auf.
Eines Tages beschloss Chris, ins Twitter-Büro zu gehen und sich für eine systematischere Verwendung dieses seltsam anmutenden Doppelkreuzes einzusetzen. Im Treppenhaus traf er zufällig Ev und Biz, die gerade auf dem
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