Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
werden, sobald die Kapitalaufstockung in Höhe von 18 Millionen Dollar abgeschlossen wäre, die den Wert der Firma auf 80 Millionen Dollar steigern würde.
Aus Jacks Sicht war das Geschäft, das er ausgehandelt hatte, besser als Evs, und wieder einmal war er wütend, dass Ev ihn bei Entscheidungen übergangen hatte.
Damals wusste Jack es noch nicht, aber für Ev ging es bei dieser Kapitalaufstockung nicht nur um Geld oder den Firmenwert. Ihm ging es um ein weitreichenderes Ziel, nämlich die Firma auf die beste Art, die er kannte, in Ordnung zu bringen: indem er mehr Kontrolle über den Tagesbetrieb ausübte.
Fuck Fuck Fuck …
Bijans Finger glitten über die Tastatur. Er schrieb immer wieder ein einziges Wort wie ein Papagei mit Tourette-Syndrom: »Fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck fuck«. Dann klickte er auf »senden« und katapultierte die Worte in einer E-Mail in Fred Wilsons Posteingang. Nichts weiter, nur 18 Mal das Wort »fuck«.
Er brauchte der Nachricht nichts weiter hinzuzufügen. Eine Erklärung war überflüssig. Fred wusste genau, was gerade passiert war.
Bijan vergrub den Kopf in den Händen, schloss die Augen und wiederholte ein letztes Mal: »Fuck!«
Bei Twitters Kapitalaufstockung um 18 Millionen Dollar im Juni 2008 hatte Spark Capital 14 Millionen investiert, und Jeff Bezos von Amazon und Fred Wilson hatten neben einigen Angel-Investoren einen Großteil der restlichen 4 Millionen beigetragen. Die große Investition hatte Bijans Unternehmen einen Sitz im Verwaltungsrat von Twitter neben Fred Wilson eingebracht. In den folgenden beiden Monaten hatte Bijan sich in der Firma eingeführt, an einigen Sitzungen teilgenommen und bei einigen wichtigen Infrastrukturentscheidungen mitgestimmt. Und nun hatte er alles vermasselt.
Eine Weile saß er da und versuchte vergebens zu überlegen, ob er irgendwie auf irgendeinem Weg mit irgendeinem Mittel eine E-Mail löschen könnte, die er eben versehentlich an Jack geschickt hatte. Ihm war klar, dass es unmöglich war. Man kann ebenso wenig einen Toten wiederauferstehen lassen, wie eine E-Mail zurückholen,die mit 140
000 Stundenkilometern von Boston nach San Francisco gesaust ist.
Nachdem Bijan eine Weile das Unberechenbare zu kalkulieren versucht hatte, setzte er sich auf und schrieb hektisch eine weitere E-Mail.
An: Jack. »Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie diese Nachricht bekommen«, schrieb er, und um seine vorherige E-Mail zu erklären, fügte er hinzu: »Aus dem Zusammenhang gerissen, könnte es wirklich einen falschen Eindruck erwecken.«
Alles hatte im Juli 2008 angefangen, als Twitter seine erste Firma hinzugekauft hatte: Summize verwendete Twitter-Tools, um Nutzern die Möglichkeit zu bieten, öffentliche Tweets zu durchsuchen. Dieses Angebot hatten Nutzer ebenso schnell angenommen wie Twitter. Schon nach kurzer Zeit griffen so viele auf Summize zu, dass die Firma bei den Seitenabrufen mit Twitter mithalten konnte. Daher beschloss Twitter, Summize nicht auszuschalten, sondern mitsamt seinem kleinen fähigen Team zu übernehmen.
Der Kauf ging relativ reibungslos über die Bühne. Zu einem ersten Vorgespräch zwischen Fred und dem Investor John Borthwick, der im Verwaltungsrat von Summize saß, kam es, als die beiden nebeneinander an einem Urinal standen. »Sollen wir die beiden Firmen nicht einfach zusammenlegen und damit fertig?«, schlug John über das Plätschern hinweg vor und warf einen Blick zu Fred hinüber.
Fred war einverstanden. Nach zwei weiteren persönlichen Gesprächen (die nicht auf der Herrentoilette stattfanden) kam das Geschäft zustande.
Der Juli hatte sich ohnehin schon geschäftig gestaltet, weil Twitter in neue Räume umgezogen war: in einen schicken, modernen Loft mit vielen Fenstern und Platz für Wachstum. Zur komfortablen Ausstattung des Büros gehörte (neben einer Wohnzimmereinrichtung mit Sofa und Videospielen, einer großen roten Telefonzelle und einer voll eingerichteten Küche mit Frühstücksflocken und anderen Snacks) auch ein Radiohead-Raum, den Jack begeistert vorgeschlagen hatte: »Da kann 24 Stunden am Tag Radiohead laufen!«
Nachdem Twitter die Verträge mit Summize unterzeichnet und im Zuge des Kaufs Firmenanteile aufgeteilt hatte, rief Jack den technischen Leiter von Summize, Greg Pass an.
»Also wir finden, da wir eigentlich hier keine richtige Führung im Technologieteam haben, könnten Sie alles leiten«, sagte Jack.
Greg schwieg einen Moment
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