Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
sie gleichzeitig Jack hinausdrängten. In seiner Rolle als Mitbegründer der Firma erfüllte Biz mittlerweile zwei verschiedene Aufgaben. Zum einen war er das öffentliche Gesicht des Unternehmens. Da Jack und Ev sich in der Öffentlichkeit meist zurückhaltend und wortkarg präsentierten, hatte Biz seine Geselligkeit noch weiter ausgebaut und trat als derjenige auf, der mit der Presse scherzte, die Belegschaft aufmunterte und häufig die prominenten Gäste unterhielt.
Zudem vertrat Biz die moralischen Grenzen der Firma. Ende November 2007 hatte die Fernsehserie CSI: Den Tätern auf der Spur Twitter für die Spurensuche benutzt: Tweets dienten als Hinweise, ein Mordopfer aufzuspüren. Es dauerte nicht lange, bis aus der Fiktion Wirklichkeit wurde und das FBI und andere Strafverfolgungsbehörden bei Twitter anklopften, um Informationen über bestimmte Leute zu verlangen, die den Dienst verwendeten. Biz, Ev und Crystal hatten nachdrücklich abgelehnt und eisern darauf bestanden, die Identität der Twitter-Nutzer zu schützen, statt sich dem Druck einiger starker Kerle mit Waffe unter dem Anzug zu beugen.
Als Bijan und Fred unauffällig mit Angestellten aus dem Büro verschwanden, ahnte Jack, dass etwas nicht in Ordnung war – vertrauliche Besprechungen hinter verschlossener Tür, leise Telefonatevon Ev im Konferenzraum –, aber er hatte keine Ahnung, wie ernst die Lage war.
Zudem hatte Jack auch keine Ahnung, dass Biz’ Kündigungsdrohung schon der zweite Aufschub war, der Jack gewährt wurde. Den ersten hatte er zu Anfang des Monats bekommen, nachdem Jack mit verheerendem Ergebnis versucht hatte, sich mit Ev, mit dem er kaum noch sprach, an einen Tisch zu setzen.
Die beiden Firmengründer hatten sich damals zum Abendessen verabredet, um über das Chaos zu sprechen. Jack hoffte, bei dem Essen würden einige abgebrochene Brücken wieder aufgebaut werden. Er vermutete, dass Ev nicht glücklich mit der Situation war, aber da keiner von ihnen seine Ansichten und Gefühle offen zum Ausdruck brachte, waren sie einem Gespräch ausgewichen.
Anfang August trafen sie sich im Bacar, einem kalifornischen Fusion-Restaurant. Der Geruch eines Holzfeuers lag in der Luft, als beide ihr Unbehagen in einigen Gläsern Alkohol ertränkten. Nach langen Phasen des Schweigens, die hin und wieder von kurzen belanglosen Bemerkungen unterbrochen waren, kamen sie zur Sache. »Was ist los?«, fragte Jack, während sie auf das Essen warteten. »Du machst keinen glücklichen Eindruck.«
Ev erklärte, die Probleme der Firma – die Ausfälle, die mangelnde Kommunikation zwischen Jack und dem Verwaltungsrat, die SMS-Rechnungen, die sich sechsstelligen Summen näherten – schadeten Twitters Wachstum. In den vergangenen Monaten habe auf dem Twitter-Firmenblog ein Beitrag nach dem anderen erklären müssen, dass die Webseite ausgefallen sei – das alles sei für Twitter äußerst peinlich, fand Ev.
»Willst du Vorstandschef werden?«, fiel Jack ihm rundheraus ins Wort. Die Frage traf Ev unvorbereitet. »Willst du?«, fragte Jack noch einmal ungewohnt streng.
»Na ja, ich habe über einiges nachgedacht«, erwiderte Ev, nippte an seinem Martini, und kehrte ausweichend wieder zu der Menge anderer Probleme zurück, mit denen die Firma zu kämpfen hatte: fehlende Neueinstellungen, Kosten und chaotische Kultur.
Wieder unterbrach Jack ihn: »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Du musst mir sagen, ob du Vorstandschef werden willst. Ich werde diesen Tisch nicht verlassen, ohne zu wissen, was du vorhast. Ich will nicht unter einer dunklen Wolke arbeiten.«
Ev zögerte. Er hatte nicht vorgehabt, Jack an diesem Abend von den Plänen des Verwaltungsrats zu erzählen, ihn abzusetzen oder herunterzustufen, aber nun sah er sich zu einer Antwort gedrängt. Nicht einmal Goldman hatte er in die Vorgänge eingeweiht aus Sorge, dass seine Freundin Crystal von einem solchen Gespräch erfahren und es Jack zutragen könnte. Schließlich atmete Ev tief durch und antwortete: »Ja. Ich will Vorstandschef werden. Ich habe Erfahrung in der Führung einer Firma, und genau das braucht Twitter jetzt.«
»Gut«, sagte Jack mit zorniger, angewiderter Miene. »Ich werde sofort danach handeln. Ich werde es morgen dem Vorstand mitteilen.«
Nach einem extrem unbehaglichen Essen ging Jack nach Hause und überlegte panisch, was er tun sollte. In seiner Wohnung lief er auf dem braunen Hartholzboden hin und her und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Schließlich
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