Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
Firma war immer noch recht klein und hatte nur knapp dreißig Angestellte und freie Mitarbeiter.
Ev stand sichtlich nervös am Rand neben einem besorgt wirkenden Biz. Ev schaute zu Boden und scharrte mit den Füßen, als wolle er ein nicht vorhandenes Kaugummi von der Schuhsohle abreiben. Alle spürten auf Anhieb, dass etwas im Busch war.
Nach einer Weile kam Jack herein und trat vor die Belegschaft, um seine kurze Ansprache zu halten. Seine Hände zitterten, sein Herz pochte. Alle spürten deutlich, dass er nervös war.
»Der Verwaltungsrat hat beschlossen«, sagte er und stockte. »Und ich habe zugestimmt.« Wieder eine Pause. »Dass ich als Firmenchef zurücktrete«. Eine letzte Pause. »Ev wird übernehmen.«
Die Angestellten waren verdutzt über diese Mitteilung. Jack führte weiter aus, wie sehr er alle vermissen werde. Und dann erzählte er erstmals eine Geschichte, die er jahrelang wiederholen würde: Er bleibe weiter in der Firma und zwar als »leitender Verwaltungsratsvorsitzender« mit einer übergeordneten Rolle bei Twitter. Er sagte nicht, dass es sich um einen Scheinposten handelte, der nichts zu bedeuten hatte. Dass er in der Firma, die er mitbegründet hatte, nichts mehr zu melden hatte. Dass man ihn gefeuert hatte.
Als er fertig war, ging er an Ev vorbei, der nun in die Mitte trat und die Belegschaft begrüßte. Die beiden mieden jeden Blickkontakt.
»Ich weiß, dass einige von euch manchmal den Eindruck hatten, dass die Firma wie ein zweiköpfiges Ungeheuer gehandelt hat«, sagte Ev, der nun ebenfalls nervös und fahrig war. »Dass ihr nicht wusstet, an wen ihr euch mit Fragen wenden solltet und wer das Sagen hat.« Er erklärte, die Entscheidung sei zum Besten der Firma, darin seien er und Jack sich einig. Auch Biz sagte ein paarWorte, um etwaige Befürchtungen der Angestellten im Keim zu ersticken.
*
Insgeheim waren einige Mitarbeiter erfreut. Auch wenn sie Jack gegenüber nichts sagten, wussten sie doch, dass er völlig überfordert gewesen war, und das schon seit langem. Und sie waren überzeugt, dass Ev, der Blogger geleitet und verkauft hatte, die wackelige Start-up-Firma besser führen würde.
Zwei Mitarbeiter waren jedoch zutiefst bestürzt: Jeremy und Crystal. Jack war mit ihnen in der Küche, als Ev seinen Sermon herunterspulte. Crystal schluchzte. Nachdem Noah zwei Jahre zuvor die Firma verlassen hatte, war er auch als Freund verschwunden. Sie fürchtete, dass es bei Jack ebenso laufen würde.
Jeremy, der ansonsten nicht zu Tränen neigte, hatte ebenfalls einen Kloß im Hals – teils war er froh, dass Ev die Führung übernahm, teils aber auch zutiefst enttäuscht, dass Jack nicht mehr in der Firma arbeiten würde. Sie umarmten sich, und Jack spürte, dass ihm Tränen in die Augen schossen, aber er unterdrückte sie. Er durfte nicht vor seinen Angestellten weinen. Das war nicht das, was man von ehemaligen Firmenchefs erwartete.
*
Zum Abschluss ihrer Ansprachen sagten Ev und Biz der Belegschaft, dass ein Blogpost auf der Webseite den Führungswechsel bekanntgeben würde, und wiesen sie an, darüber weder mit der Presse zu sprechen, noch zu twittern.
Ev ging in die Küche, wo Crystal und Jeremy mit Jack sprachen, und winkte Jeremy zu sich. »Du musst gehen und alle Accounts von Rebecca sperren«, wies Ev Jeremy an, der ihn entsetzt ansah. »Ich möchte, dass du es sofort erledigst. Sperre den Zugang zu E-Mails, Login und Computer«, wiederholte Ev. »Alles.« Dann teilte er Rebecca mit, dass sie ebenfalls entlassen sei.
*
Jack beobachtete, wie Ev und Jeremy vor der Küche miteinander sprachen. »Ich komme gleich zurück«, sagte er zu Crystal. »Ich muss noch ein paar Anrufe erledigen, bevor der Blogeintrag rausgeht.«
Als Jack aus der Küche trat, schaute er auf die silbern-weiße Wanduhr. Es war 11:59 Uhr. Er zog sein Handy aus der Tasche, öffnete die Twitter-App und twitterte: »Rufe meine Eltern an.«
Seine Mutter weinte am Telefon, als er ihr sagte, dass er zurückgetreten sei. Aber Jack überzeugte seine Eltern, dass es seine Entscheidung gewesen sei und er es für das Beste für die Firma hielte. Dann legte er auf.
Verglichen mit dem Anruf, den er als Nächstes erledigen musste, war das Gespräch mit seinen Eltern einfach gewesen.
Er schaute sich um und vergewisserte sich, dass niemand in Hörweite war. Dann öffnete er das Adressbuch seines Handys, scrollte durch die Namen, die mit J anfingen, dann durch K und L und fand schließlich die Telefonnummer, die er
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