Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
Burning-Man-Festival durch Black Rock City gelatscht war und bis zum Sonnenaufgang betrunken zu Technomusik getanzt hatte, war er arbeitslos und im Grunde obdachlos vor Kidds Haustür in Berkeley aufgetaucht. Damals war er noch ein völlig anderer und hatte blaue Rastazöpfe und Schmuddelklamotten getragen. Trotzdem hatte Kidd ihn aufgenommen und in seinem Gästehaus im Garten wohnen lassen. Außerdem beschäftigte er ihn als Kindermädchen für sein neugeborenes Kind. Ein Kindermädchen mit blauen Rastalocken und Nasenring in Berkeley. Er passte ins Bild.
»Greg, sie haben mich gefeuert«, sagte Jack verzweifelt. »Sie haben mir meine Anteile weggenommen und mich gefeuert. Sie haben Ev zum Vorstandschef gemacht, und ich …«
»Entspann dich mal eine Sekunde. Warte«, unterbrach Kidd ihn. »Was ist los?«
Jack erzählte von seinem Gespräch mit Fred und Bijan, was sie ihm gesagt hatten und dass er nun praktisch nicht mehr bei Twitter arbeitete. Nachdem Kidd eine Weile zugehört hatte, erklärte er, Jack könne nicht viel dagegen tun. »Ev gehört die Mehrheit an der Firma, dir nicht. Du solltest diesen Anwalt anrufen.«
*
Ev schloss die Tür hinter sich, als sie die Wohnung verließen. Goldman war sichtlich aufgewühlt. Biz ebenfalls. Greg und Abdur, dieeher Angestellte der Firma als Jacks Freunde waren, wirkten beinah erleichtert.
Gemeinsam gingen sie ins Büro.
*
Jack beendete sein Telefongespräch mit Kidd und ging schnellen Schrittes los. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte. Zurück ins Büro konnte er nicht. Zügig lief er die Geary Street hinunter, bog mehrmals links und rechts ab und hatte schon bald mehr als 1,5 Kilometer zurückgelegt. Er war verzweifelt, als er vor dem One Embarcadero stehen blieb, vor dem riesigen Betonbau in Ufernähe, zu dem auch Noah geradelt war, als man ihn zwei Jahre zuvor aus der Firma gedrängt hatte. Hinausgedrängt von Jack, der Ev ein Ultimatum gestellt hatte: »Noah oder ich.«
Nun war Jack an der Reihe. Er blieb stehen und setzte sich auf die Betonstufen, während Leute mit Jobs in Anzug und Schuhen mit Absatz an ihm vorbei zur Arbeit gingen. Seine Kehle war rau. Die Gefühle überwältigten ihn, er fing an zu weinen. Er saß auf den Stufen, den Kopf auf die Arme gelegt, und schluchzte. Allein.
*
Die Tür zum Büro ging auf, und Ev kam herein, Goldman, Biz, Abdur und Greg im Schlepptau. Rebecca, Jacks Assistentin, ging sofort zu ihnen und fragte, wo Jack sei. Nach kurzem Zögern sagte Biz: »Wir hatten heute außerhalb eine Sitzung der Firmenleitung, und Jack ist noch zu einigen anderen Besprechungen außer Haus.«
Dann fragte er an Ev gewandt: »Hey, hast du einen Moment Zeit?« Sie gingen in das Besprechungszimmer neben der Küche und schlossen die Tür hinter sich.
»Hör zu. Ich verstehe, dass es so für die Firma das Beste ist. Es wäre mir nur lieber gewesen, wenn ich vorher davon gewusst hätte«, sagte Biz. Ev hörte zu, pflichtete ihm bei, versuchte aber seine Situation gegenüber dem Verwaltungsrat und die rechtlichen Aspekte des Führungswechsels zu erklären. Eine Weile saßen sieschweigend da. Nach einem tiefen Seufzen sagte Biz schließlich: »Ich sollte wohl mal mit Jack reden, oder?«
»Ja. Das ist wahrscheinlich eine gute Idee«, sagte Ev. »Er muss morgen ins Büro kommen und es allen mitteilen, wir sollten also dafür sorgen, dass er weiß, was er zu sagen hat.«
Biz holte sein Handy aus der Tasche und schickte Jack eine SMS.
*
Jacks Handy hatte den ganzen Morgen geklingelt. Seine Assistentin versuchte ihn zu erreichen. SMS, E-Mails, entgangene Anrufe. Er reagierte nicht. Was sollte er auch sagen? »Ich komme heute nicht ins Büro. Ich bin gefeuert«?
Plötzlich kam eine SMS von Biz, dass sie miteinander reden sollten. Sie verabredeten sich in der Samovar Tea Lounge in den Yerba Buena Gardens in der Nähe des Twitter-Büros. Dort hatten die beiden unzählige Stunden verbracht, zu Mittag gegessen und über Twitter und andere Projekte geredet, die sie eines Tages gemeinsam umsetzen wollten. Jack trank dann seinen Lieblingstee, Masala Chai, und lachte meist nur über Biz’ Witze.
An diesem Morgen sollte es keine Witze geben. Und auch keinen Masala Chai.
Die beiden saßen draußen auf einer Holzbank mit Blick auf die Stadt. Der Himmel hatte sich aufgeklart, und Biz musste blinzeln, als er Jack im gleißenden Licht ansah. Er bemerkte, dass Jacks Augen rot und verquollen waren.
»Du hast es also offensichtlich gehört«, sagte
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