Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
Vögelchens in Ordnung zu bringen, fungierte der leuteselige Biz bald als öffentliches Aushängeschild des Unternehmens. Auf Konferenzen, in Talkshows, sogar im satirischen Colbert Report und in Hunderten von Interviews für Magazine und Zeitungen verbreitete er landauf, landab die frohe Botschaft von Twitter. Doch mittlerweile hatte die Firma auch ein neues inoffizielles Gesicht: Jack Dorsey.
Jack hatte mit der Entwicklung seines mobilen Bezahldienstes Square begonnen und war in ein neues, schickes, spartanisch möbliertes Apartment am Mint Plaza ganz in der Nähe der Fifth Street gezogen. Es war zwar klein, traf aber in seinem ganzen Minimalismus mit den spiegelblanken Böden und kahlen Wänden just Jacks Vorliebe für ein steriles Ambiente.
Zum Ärger von Ev und Biz gab Jack weiterhin jedem, der darum bat, ein Interview: Zeitungsjournalisten, Bloggern, Fernsehreportern. Schlimmer noch, er erweckte bei aller Welt den Anschein, als mische er noch im Tagesgeschäft des Unternehmens mit, und sprach über neue Funktionen von Twitter, als wäre er selbst an ihrer Entwicklung beteiligt gewesen, obwohl er in Wirklichkeit nicht einmal mehr einen Schreibtisch in der Firmenzentrale besaß.
Statt sich mit Jack über seine exzessive Medienpräsenz zu streiten, bemühte sich Ev, ihn in das Geschehen einzubinden und das Problem auf diese Weise zu entschärfen. Anfang 2009 nahmen Biz, Ev und Jack gemeinsam auf der Bühne einen Crunchies Award entgegen, ein alljährlich von Branchenblogs vergebener Technologiepreis. Wegen ihrer rasant gestiegenen Popularität wurden sie in der Kategorie »Beste Start-up-Gründer« ausgezeichnet. Abwechselnd schritten die drei Gründer zum Mikrofon und sprachen zum Publikum. Biz ergriff zuerst das Wort und dankte Jack und Ev für ihre Inspiration. Ev, der zweite Sprecher, sprach seinerseits Jack und Biz, die hinter ihm auf der Bühne standen, seinen Dank aus. »Das war wirklich eine Gemeinschaftsleistung, die Ehrung gebührt dem ganzen Team«, sagte er mit der Trophäe in der Hand, stets bemüht, das Verdienst anderer gebührend anzuerkennen. »Wir sind imHauptquartier von Twitter 26 Leute, die bis zum Umfallen geschuftet haben.« Jack, der letzte, dankte feierlich den Millionen von Menschen, die den Dienst nutzten. »Ihr verändert die Welt mit jeweils 140 Zeichen«, erklärte Jack mit monotoner Stimme. Dann verließen sie alle die Bühne.
Wie die meisten Leute bei der Crunchies-Preisverleihung hatte Fenton vor seinem Einstieg als Investor angenommen, dass Jack stärker in den täglichen Betrieb des Unternehmens eingebunden war. Er hatte keine Ahnung, dass Jack in Wirklichkeit praktisch kaltgestellt war. Nach Schließung der Verwaltungsratssitzung hielt sich eine penetrante Spannung im Raum. Fenton war einigermaßen geschockt.
Zurück im Büro griff er zum Hörer und rief Bijan an. »Was, zum Teufel, ist denn da abgegangen?«
»Ach, das wussten Sie gar nicht?«, fragte Bijan.
»Was meinen Sie?«
Bijan klärte Fenton umfassend auf: dass Jack aus der Geschäftsführung des Unternehmens geflogen war und warum; dass Ev den Vorstandssessel übernommen hatte und warum; und dass, für den Fall, dass es ihm entgangen sein sollte, die beiden Gründer eine tiefsitzende Abneigung gegeneinander hegten.
»Jetzt hab ich das Gefühl, im Konferenzraum klebt überall altes Blut an den Wänden«, sagte Fenton, nachdem er die Geschichte gehört hatte. Er legte auf und rief Jack an, um sich mit ihm zum Abendessen zu verabreden. Jack schlug das Chez Papa in der Nähe seiner Wohnung vor.
Im schummerigen Licht des Restaurants inmitten plaudernder Gäste tischte Jack dem Investor seine Version der Geschichte auf: Er erzählte Fenton, dass Ev ihn aus Machtstreben aus der Geschäftsführung gedrängt habe und Twitter Jacks Idee gewesen sei. Jack beklagte sich auch über die neue Ausrichtung, die Ev dem Unternehmen gegeben hatte.
Ev war seit Jacks Ausscheiden rege gewesen und hatte viele Veränderungen bei der Webseite und beim Service eingeführt. Er hattekeine Zeit verloren und viele der Partnerschaften für Textmitteilungen, die Jack während seiner Amtszeit als Vorstandschef geschlossen hatte, aufgekündigt (Partnerschaften, die Twitter jeden Monat Hunderttausende von Dollar gekostet hatten). Jack, der überzeugt war, dass Twitter in erster Linie über SMS laufen sollte, beklagte sich auch darüber bei Fenton. Ev dies, Ev das …
Fenton war empört und hielt mit seiner Entrüstung nicht hinter dem Berg. Er
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