Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
einer Verschmelzung der beiden Medien ziemlich nah.
Die Erfahrung der Präsidentschaftsdebatten und Obamas Wahlsieg – den der frischgewählte Präsident sofort mit einem Tweet verkündet hatte – überzeugten Gore, wie bestechend die Kombination von Live-Berichterstattung und Textmitteilungen der Bürger via Twitter war: Die Leute machten sich in Echtzeit über Sarah Palin lustig, entlarvten Falschaussagen beider Kandidaten und feuerten ihre Heimmannschaften an. Current TV war entschlossen, ein starkes Band zur medialen Zukunft zu schmieden: zu Twitter.
Wie die meisten Spitzenpolitiker hatte Gore mehr Charisma und Charme als jeder durchschnittliche Hollywoodstar. Er erzählte Witze und gab dramatische Episoden aus seiner Zeit als Vizepräsident zum Besten. Er verriet seinen Besuchern, wie er durch Strippenziehen und die Mobilisierung von Freundschaftsdiensten seinen Fernsehsender den Fängen eines französischen Konzerns entrissen hatte.
»Wir mussten ein paar metaphorische Kanonen an ein paar metaphorische Köpfe halten«, kicherte Gore.
»Al, die Köpfe waren echt!«, warf Gores Geschäftspartner Joel ein und erntete schallendes Gelächter.
Der Wein floss in Strömen. Eh sie sich’s versahen, hatten Ev, Biz und der ehemalige Vizepräsident der Vereinigten Staaten gewaltig einen in der Krone. Biz strahlte Gore an und sprach mit ihm wie mit einem alten Saufkumpel in einer schmierigen Eckkneipe. »Al« dies und »Al« das, gefolgt von weiteren Witzen. Er war hin und weg. Auch Ev hatte seinen Spaß, aber als er bemerkte, wie sich Biz von der Stimmung fortreißen ließ, beschloss er, abzuwenden, was von Gore und seinen Managern unfehlbar als Nächstes kommen würde.
»Nur um das klarzustellen«, unterbrach Ev die Gruppe. »Biz ist ganz aus dem Häuschen und schlägt vielleicht gleich einen Plan für unsere gemeinsame Zusammenarbeit vor, aber ich möchte gleich vorausschicken, dass das nur die Aufregung ist. Wir stimmen«, fügte er noch nüchterner hinzu, »nicht unbedingt allem zu.«
An diesem Punkt der Geschichte hatte Ev schon Dutzende von Versuchen berühmter Leute erlebt, sich Firmenanteile von Twitter unter den Nagel zu reißen. Sie schlugen vor, »nur mal zu reden«, um ihm dann eine einmalige Gelegenheit zur Zusammenarbeit schmackhaft zu machen, alles, um einen spottbilligen Anteil an Twitter zu ergattern.
So schlugen manche Stars vor, einen Anteil am Unternehmen im Tausch gegen die Nutzung des Dienstes zu erhalten. Das hatte schon Ashton Kutcher probiert, ein Schauspieler mit unternehmerischen Ambitionen, der Ev und Biz in seine Villa in Los Angeles eingeladen hatte, um sich mit ihnen zu »unterhalten«. Dort, am Swimmingpool von Kutchers Haus in intimer Gegenwart seiner Frau Demi Moore hatte der Mime ihnen einen Anteil an ihrem Unternehmen abzuluchsen versucht. Auch der Rapper Sean »Puffy« Combs hatte ihnen Firmenanteile abhandeln wollen.
Jedes Mal hatte Ev die Reichen und Berühmten, die an das Wörtchen »nein« nicht gewöhnt waren, höflich abgewiesen. Große Firmenbosse versuchten es ebenso. Bei einem Abendessen im viele Millionen Dollar teuren Haus von Bill Gates in Seattle hatte Steve Ballmer, der Chef von Microsoft, zu Ev gesagt, falls er jemals das Unternehmen verkaufen wolle, wäre Microsoft sehr daran interessiert. Auch Ballmers Angebot hatte Ev freundlich ausgeschlagen.
Ev ging es nie um das Geld oder um die Nähe zu Berühmtheiten. Für ihn kreiste letztlich alles um seine Vision, etwas zu schaffen, das völlig unbekannten Menschen aus irgendeinem abgelegenen Ort – zum Beispiel aus einem so winzigen Kaff wie Evs Heimatdorf Clarks in Nebraska – die gleiche Stimme geben würde wie Leuten von Rang und Namen, die in den Hauptstädten die Nähe zur Macht pflegten.
Jetzt war es Al Gore, der ein paar Federn des blauen Vogels ergattern wollte.
»Hört mal, Jungs«, sagte Gore und fing an, ein paar seiner Vorstellungen auszubreiten, darunter die Idee eines Zusammenschlusses. Er dachte an die Gründung einer Firma namens Twitter TV, also praktisch an eine Art Fusion der beiden Unternehmen. Er schwärmte, dass Twitter und Current TV gemeinsam die Zukunft des Fernsehens aufbauen könnten, dass sie Twitter gemeinsam zu mehr als einem bloßen Tickerband im TV machen und eine völlig neue, interaktive Erfahrung für das Wohnzimmer schaffen könnten.
Gore klang sehr überzeugend. Eine solche Fusion würde ihm höchstwahrscheinlich einen dicken Batzen Anteile an Twitter verschaffen. Ev
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