Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
über die er nicht viel wusste, darunter interne Entwicklungen, über die er nicht in Kenntnis gesetzt worden war, da er praktisch gar nicht mehr für Twitter arbeitete. Auch Biz war zunehmend frustriert, weil Jack in Interviews häufig erzählte, er sei der »Erfinder« von Twitter, der einzige Schöpfer einer Idee, die in Wirklichkeit viele Väter hatte.
Die Twitter-Zentrale wurde gerade erweitert, als Jack zum Meeting eintraf. Das Trio beschloss, das Gespräch vertraulich zu führen – abseits der neugierigen Blicke von Mitarbeitern mit Twitter-Accounts –, und zog sich in einen der Konferenzräume zurück, die gerade renoviert wurden.
An dem langen, eckigen Tisch erläuterte Ev, was ihn störte, und bat Jack, bei seinen Medienauftritten »kürzerzutreten« . »Das ist schlecht für die Firma«, sagte Ev. »Es vermittelt die falsche Botschaft.« Biz saß zwischen ihnen und verfolgte ihren Schlagabtausch wie ein Zuschauer beim Tennis. Dann forderte Ev Jack auf,seine Twitter-Biografie geradezurücken, in der er behauptete, der Gründer und Erfinder von Twitter zu sein.
»Aber ich habe Twitter doch erfunden«, protestierte Jack.
»Nein, das hast du nicht«, hielt Ev behutsam dagegen. »Auch ich habe Twitter nicht erfunden. Genauso wenig wie Biz. Die Leute erfinden im Internet nichts. Sie erweitern schlicht eine Idee, die bereits vorhanden ist.« Biz nickte zustimmend und äußerte sich ähnlich.
Ev hielt Jack vor, dass er seit sieben Monaten nicht mehr in dem Unternehmen arbeitete und seine Vorstellung von Twitter – als Dienst für Statusmitteilungen – nicht mehr die Richtung war, in die sich Twitter entwickelt hatte. Nach Jacks Auffassung diente die Webseite nur der Beantwortung der Frage »Was tust du gerade?«, während Evs Vision von Twitter eher mit dem Bloggen verwandt war und um die Frage kreiste »Was geschieht gerade?«. Für Jack ging es darum, Geschichten von sich selbst zu erzählen – über Jack. Für Ev bot Twitter den Nutzern die Möglichkeit, Geschichten von anderen Menschen zu erzählen.
Twitter entwickelte sich weiter in einer Weise, die keiner von ihnen hätte vorhersehen können. Hatte man anfänglich private Mitteilung über die aktuelle Lage und Befindlichkeit als wesentlichen Inhalt gesehen, hatte sich Twitter nun immer mehr zu einem 24-stündigen Nachrichtendienst und zu einem Netzwerk zum Austausch der Nutzer über aktuelle Medienberichte weiterentwickelt und die ursprüngliche Intention in den Hintergrund gedrängt. Vor allem wurde Twitter nun immer öfter genutzt, um zu berichten, was die Menschen gerade im wirklichen Leben sahen. An die Stelle eines Presseausweises und des Titels »Journalist« waren ein Smartphone und ein Twitter-Konto getreten.
Aber Jack konnte nicht über seinen Schatten springen und zugeben, dass Evs Gedankengang einleuchtend war. Er hielt sich für das Opfer eines Putsches um Macht und Einfluss. Wenn es ihm gefiel, den Leuten zu erzählen, dass er Twitter erfunden hatte, dann würde er genau das tun. Und je größer Twitter wurde, desto mehrlechzte er danach, sich wieder auf den Thron als sein rechtmäßiger Schöpfer zu setzen.
Beim Dinner mit den 100 einflussreichsten Menschen der Welt konnte es Jack nicht verwinden, dass es Ev war, der als Vorstandschef von Twitter vorgestellt wurde, statt seiner selbst. Dass Ev an Tisch zwei saß, nicht Jack. Dass Ev nur ein paar Schritte von der First Lady der Vereinigten Staaten entfernt saß, die in ein Mikrofon auf der Bühne sprach, von Innovation und Unternehmertum redete und dabei direkt Ev anschaute, nicht Jack.
Immer Ev. Nicht Jack.
Revolte im Iran
Außenministerin Clinton wartete, bis Alec Ross, ihr oberster Innovationsberater, die Zeichnung in seinem Notizblock fertig gestellt hatte.
Sie saß geduldig auf einer blass-cyanfarbenen Couch im Empfangsraum ihres Büros im Ministerium. Über der Gruppe von Regierungsbeamten, die sich um sie scharten, hing reglos ein großer Kristallkronleuchter. Türen, Fenster und Wandbeleuchtung waren von verschnörkelten weißen Zierleisten gerahmt.
Ross brachte mit erratischen Bewegungen seines Stifts eine Reihe von Formen aufs Papier, hielt inne und bestaunte sein Meisterwerk. Er nickte zustimmend, schmunzelte und reichte den Block der Ministerin.
Wäre in diesem Augenblick ein Fremder in den Raum geplatzt, hätte er glauben können, die Herren vertrieben der höchsten Diplomatin ihres Landes die Zeit mit einem Ratespiel. Doch so war es nicht.
Es herrschte einen
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