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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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erreicht hatte. Dort legte er ihn ab.
    James kam es so vor, als hätte er nicht einmal
geatmet, seit das Kind ihnen den Körper gezeigt hatte. Er atmete auch jetzt nur
vor Schreck ein, als Schreie die Luft zerrissen, Schreie, wie sie nur der
Schock aus Menschen herausjagt. Unmöglich, darin eine vertraute Stimme zu
erkennen.
    Der, der jetzt dalag, war komplett angezogen. Auf der
Weste glänzte nass der silberne Montagu-Stern. In der Westentasche steckte noch
seine Tabakdose. Nur ein Schuh fehlte. Die langen Haare lagen wie Tang über
seinem Gesicht, verdeckten es halb, vielleicht war es ja doch –
    John strich die Strähnen beiseite. Dann gab es keinen
Zweifel mehr: Das war Halfast. Sein Gesicht so weiß, wie er Menschenhaut noch
nie gesehen hatte. Nur auf einer Wange – die allerletzten gelblichen Reste
einer Prellung da, wo Firn ihn geschlagen hatte. Seine Augen waren nicht ganz
geschlossen. Man sah einen dünnen Streifen Weiß und ein bisschen totes Blau.
Schwarze Tangfäden über seinem Mund, seiner Kehle, dunkler als sein
dunkelblondes Haar. James’ Blick fiel auf die Hände, die aus dem weißen Hemd
hervorragten, der eine Unterarm lag quer über seinem Bauch, der andere Arm
ausgestreckt über den Steinen. Trotzdem musste er zweimal hinsehen, so
gründlich war die Flut gewesen, bis er in dieser weißen Haut die klaffenden
Ränder ausmachte.
    James fasste nach der Hand, drehte den Arm so, dass er
ihn genauer betrachten konnte. Nahm den anderen – auch hier klaffende Ränder.
Halfast hatte seine Sache mindestens so gründlich gemacht wie die Flut. Nicht
mal Firn hätte etwas bemängeln können. Lange, entschiedene Längsschnitte. Fachgerecht.
Er hatte nichts dem Zufall überlassen.
    Nur, dass er bestimmt nicht hierher hatte
zurückgetrieben und gefunden werden wollen. Da hatte ihm das Wetter einen
Strich durch die Rechnung gemacht.
    James zog die Hemdärmel über die Handgelenke hinunter
und legte die Hände zurück, die schon erstarrt waren. Und dann wusste er nicht
weiter.
    Er konnte sich nicht umsehen, nicht in die Gesichter
der anderen, nicht in das Gesicht von John, der die Tabakdose wieder ganz in
die Westentasche schob und den Tang von der Kehle seines Sohnes pflückte. Die
Schreie, wer immer sie ausgestoßen hatte, waren verstummt. Es war seltsam, dass
keiner irgendwas sagte, dass überhaupt nichts zu hören war außer dem Meer und
den Möwen. Sogar die Kinder schwiegen, während sie sich hinter ihnen
herumdrückten. James konnte zwar so etwas wie einen Schrei in seiner Kehle
spüren, aber der wollte nicht herauskommen, sondern ihn ersticken.
    Er hatte es nicht gesehen. Er hatte es nicht verhindert.
Er hatte nichts gemerkt.
    „Was! Was ist denn mit ihm?“, schrie Horgest endlich
und plumpste neben ihm in den Sand. „Was ist denn passiert? Halfast! Mann! Sag
was! Sikka , ist er ohnmächtig oder was? Hat er sich den Kopf
angeschlagen? Er ist doch nicht – nicht – ertrunken?!“
    „Nein. Er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten“,
sagte James. Es musste ausgesprochen werden. Er musste es selbst hören, es war
wie ein Urteil, das auch über ihn, James, gefällt wurde. Das hier war einer,
den er als Freund angesehen hatte. Und er hatte es nicht kommen sehen !
Keiner hatte es gesehen! Keiner von ihnen allen!
    „Und dann ist er ins Wasser gesprungen“, fuhr er fort.
„Von diesem beschissenen Felsen da draußen! Er wollte ganz sicher gehen!“
    Jemand schluchzte jetzt so furchtbar, dass er sich die
Ohren zuhalten wollte. Horgest rannte brüllend davon, wie ein durchgehender
Elefant. Stanwell und Firn waren es, die Halfast schließlich aufhoben und sich
daranmachten, ihn ins Lager zurückzutragen, den ganzen langen Strand entlang,
wo die Leute stehenblieben und starrten. Haminta zog ihren Vater mit sich. Und
James trottete mit baumelnden Armen hinterher.
     
    5.
    Stunden vergingen. Es wurde dunkel, und das Lager der
Montagus stand immer noch. Alles war fertig gepackt, aber unberührt stehengeblieben.
Ein einziges kleines Feuer brannte, und darum hatten sich die meisten der älteren
Männer und Frauen versammelt, bis auf den Chef, John und Raween. Sie redeten
nicht, saßen nur da, als wollten sie Wache halten. Die Kinder hatten sich zu
Aruza und Nella geflüchtet. Nilke war einfach davongelaufen, als sie Halfast
hergebracht hatten. Keiner schien die Kraft zu haben, nach ihr zu sehen.
    Die jüngeren Leute standen zwischen den Wagen herum
und sahen einander nicht an. Vor Ewigkeiten war Horgest in den

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