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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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Gilwissler
gerannt und hatte da drinnen brüllend Halfasts Geige zerschlagen. Als sie zu
ihm hineinstürzten, lag sie schon in Stücken am Boden. Sie zogen ihn mit sich
hinaus, bevor er sie zu Splittern zertrampeln konnte. Draußen fiel er wie ein
Sack auf den Boden und heulte. Da lag er immer noch. Keiner fand ein tröstendes
Wort, weder für ihn noch überhaupt. Es gab ja auch nichts zu sagen.
    Sie waren verstummt, es war so still, als hätte eine
seltsame Krankheit den Stern von Montagu befallen. Fassungsloses
Entsetzen, so hieß diese Krankheit, dachte James. Sie konnten es einfach nicht
begreifen. Vielleicht war dieses stumme Herumstehen ja auch so etwas wie eine
Ehrenwache für ihn, der so gut geschwiegen hatte und jetzt im Wagen seiner
Eltern lag. Der Chef und Haminta waren auch dort drin. Seit Stunden war kein Laut
von dort zu hören.
    Die Dunkelheit war eine Erleichterung, weil man dann
die anderen nicht mehr richtig sah und weil sie wenigstens den Augen eine Art
von Erlösung gewährte, wenn es sonst schon keine gab.
    James dachte. Dachte die ganze Zeit scharfkantige,
splitterige Gedanken.
    Das war keine Kurzschlusshandlung gewesen. Jetzt, viel
zu spät, sah er, was er die ganze Zeit über nicht gesehen hatte. Sah es richtig ,
besser gesagt.
    Ja, er war schweigsamer geworden. Hatte mehr geraucht,
viel mehr sogar. Aber – er war nicht missmutig gewesen oder verbittert oder
irgendwie depressiv! Er hatte sogar gelassen gewirkt, dafür hatte James ihn oft
genug bewundert.
    Diese stille Konsequenz in Halfasts Handeln war es,
die ihn zutiefst traf. Die ganze Zeit – die ganze Zeit ! Vielleicht hatte
er es schon damals in Orolo beschlossen, nach dem Gespräch mit Odette (die
jetzt übrigens eine der ganz wenigen war, die sich nicht hier draußen
eingefunden hatten). Sie hatten gedacht, er hätte sich abgefunden, sich
arrangiert – dabei hatte er in Wirklichkeit mit seinem Leben abgeschlossen. Die
ganze Zeit!
    James kam nicht darüber hinweg. All diese Tage, die
sie zusammen verbracht hatten, die Stunden auf dem Galiziak, wenn sie sich
unterhalten hatten, wenn er Dinge erklärte, wenn er Geige spielte – hatte er in
all dieser Zeit gewusst, dass er nicht über Krai hinausgehen würde? Dass er
seinen Weg hier beenden würde? Ja. Rückblickend musste man wohl einsehen, dass
er diese Gelassenheit nur deshalb wiedergewonnen hatte, weil er sich entschieden
und den Schlusspunkt vor Augen hatte. Das war so furchtbar! Aber Halfast musste
es so etwas wie Frieden gegeben haben, sodass er sogar die beiden Hochzeiten so
absolviert hatte, wie es von ihm erwartet worden war. Und sie hatten nicht
gefragt, hatten nie gefragt, hatten nie genau genug hingesehen oder hingehört!
    Nein, das war nicht zu begreifen. Dass man es nicht
bemerkt, nicht einmal geahnt hatte. Gegen diese stille Konsequenz kam James
seine eigene kümmerliche Trübsal wegen Orla beinahe beleidigend vor.
    Gestern Abend, da am Strand. Da hatte er ihn zuletzt
gesehen, war mit Haminta an ihm vorbeigelaufen … hatte nur seine eigenen
albernen Befürchtungen im Kopf gehabt. Kurz danach musste er mit diesem Fischer
rausgefahren sein.
    Er hatte sie also doch alle einfach verlassen, ohne
Abschied, ohne ein Wort. Hatte gerade noch abgewartet, bis seine Orla weit
genug weg war, dass sie nichts mehr von seinem Verschwinden hören würde.
Verschwinden – so hatte es wohl aussehen sollen. Sie hätten denken sollen, dass
er einfach abgehauen war. Weil sie ihm das bei aller Unglaublichkeit immer noch
eher zugetraut hätten als so was hier. Dass sie seine Leiche da im Wasser
fanden, damit hatte er nicht gerechnet, denn normalerweise zog die Strömung ja
alles mit sich hinaus aufs offene Meer. Er hatte nicht ahnen können, dass der
Wind umschlug in dieser Nacht und die Flut alles gewaltsam in die Bucht
hineintrieb.
    Es war nicht zu ertragen, sich das auszudenken. Er
musste es getan haben, während er, James, mit seiner Schwester geschlafen
hatte. Allein diese sinnlose Gleichzeitigkeit, die war mehr, als ein denkender
Mensch ertragen konnte.
    Ich bring den Tod, dachte James zusammenhanglos. Und
wusste, dass es Zeit war, irgendwas zu unternehmen. Zu brüllen. Sich zu
betrinken. Irgendwas. Nur nicht länger hier sitzen und warten, bis der Verstand
knackte und zersprang.
    Vielleicht war das einem anderen schon passiert, denn
plötzlich kam John aus seinem Wagen heraus und ging mit raschen Schritten zum
Gilwissler hinüber. Sie hörten ihn drinnen herumsuchen. Keiner wagte es,

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