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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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geflochtenes Lederbändchen mit einer länglichen Holzperle
an jedem Ende. Jetzt war es warm, weil sie es seit Ewigkeiten zwischen den
Fingern knetete, aber es war immer noch nass. Seewasser trocknet schlecht.
    In ihr, da herrschte die ganz große Ebbe. Leergewaschen,
seit sie ihn da gesehen hatte: einen stummen Toten, den ersten Toten, den sie
überhaupt gesehen hatte. Wie konnte man einfach tot sein? Weggegangen … wohin?
Ihr Verstand konnte das nicht fassen. Er konnte doch nicht einfach weg sein.
Sein Körper lag noch da, im Wagen. Aber er war weg. Halfast. Sie würde
nie mit ihm sprechen.
    Halfast, der so klug, so freundlich, so wertvoll gewesen war – der war jetzt weg. Hatte sich selbst weggeworfen. War wie ein
totes Tier zwischen den Felsen hängengeblieben. Nicht anders als eine tote
Qualle. Konnte Leben so zerbrechlich sein? Konnte es wirklich?
    Sie presste dieses Bändchen, das länger durchgehalten
hatte als er, das immer noch da sein würde, wenn auch sein Körper weg war, an
ihre Wange, und dann geschah etwas mit ihr, das sich so anfühlte, als würde ihr
das Herz durch die Augen, zwischen ihren Zähnen hindurch hinausplatzen und
dabei ihr Gesicht zersprengen. Erst ihr Gesicht, dann ihren Kopf, ihren Hals,
alles –
    Es dauerte ewig, und es zertrümmerte sie, aber danach
war sie trotzdem noch da. Sie lebte immer noch, wieso ging sie nicht
kaputt? Wieso musste sie immer noch hier sein und denken und atmen und fühlen
können?
    Warum hast du das getan? Warum gerade du ? Du!
Wo du doch so toll warst! Immer alles wusstest! Du warst so schön! Wie du Geige
gespielt hast! Und alle hatten dich gern! Nur weil diese Scheiß-Orla … und die
hat dich auch gemocht, vielleicht hat sie dich sogar geliebt, verflucht, nur
ihre Mutter hat’s ihr verboten! Warum hast du dich nur so weggeschmissen … wie
Müll, wer soll so was ertragen?! Warum hast du nichts gesagt! Warum hast du uns
nicht alle angebrüllt und gesagt, was los ist!
    Wenn ich mit ihm gesprochen hätte … wenn ich zu ihm
gegangen wäre gestern Abend … vielleicht hätte ich es ja irgendwie gemerkt!
Dann hätte ich es jemandem sagen können! Warum hab ich mich bloß nicht getraut
– vielleicht würde er jetzt noch …!
    In ihr tickte die Zeit weiter. Sie konnte sich auch
gar nicht vorstellen, wie das aufhören sollte. Warum blieb der Körper so leer
zurück, so nutzlos, abgelegt, als wäre er nur eine Hülle gewesen und nicht ein
wichtiger, geliebter Teil von jemandem? Wer, was war man denn, ohne
Körper? All das, was sie gesehen hatte, was so wilde Echos in ihrem eigenen
Körper ausgelöst hatte, was sie gern berührt hätte, das würde jetzt einfach
vergammeln wie Bananenschalen. Wer dachte sich so eine Scheiße aus?!
    Wo war er denn jetzt? War er überhaupt noch?
Aber wie – wie – wie konnte er nicht mehr sein?! Sie versuchte, ihm in
Gedanken in das Dunkel, in das Irgendwo zu folgen, wo er jetzt vielleicht noch
war … wo er vielleicht nicht mal mehr Halfast war.
    Ich halte ihn fest. Ich erinnere mich an alles. Ich
werde nichts vergessen. Ich such so lang nach ihm, bis ich ihn fühle. Er wird
nie Müll sein!
    An diesem Gedanken hielt sie sich fest. Damit konnte
sie sogar irgendwann ins Montagu-Lager zurückkehren und sich auf ihrer Seite
der Pritsche unter die Decke verkriechen. Zu wissen, dass sein Körper dort
drüben lag, gar nicht weit von ihr – das war schrecklich, aber zugleich war es
gut, dass er noch da war, dass etwas von ihm noch irgendwie in der Nähe war.
    Sie schloss die Augen, hielt das Haarband an ihr
brennendes Gesicht und versuchte ihn in der Unendlichkeit irgendwo zu finden.
     
    7.
    Sie waren bei der vierten Runde angekommen und
schwiegen immer noch, als die Tür aufschwang und Firn das Skrabarr betrat. Bisher war ihnen nicht mal aufgefallen, dass er nicht dabei war. Er
blieb bei ihnen am Tisch stehen, und seine Augen waren wacher als die der
anderen, fand James. Er sah aus wie einer, der noch denken konnte, das war’s,
kapierte er dann.
    „Na, kupadanni , lässt du dich volllaufen?“,
wandte Firn sich unerwartet an ihn. Es waren die ersten Worte, die hier fielen,
und sie waren laut und scharf.
    „Was dagegen? Trink mit oder hau ab, aber lass mich in
Ruh!“
    Firn sah sich kopfschüttelnd in der Runde um. „Ihr
seid Idioten, genau wie er! Das war er nämlich, ein Idiot! Ein dämlicher
Arsch!“, schnauzte er dann los, so laut, dass die wenigen anderen Gäste – die
bestimmt längst alle gehört hatten, was den Montagus

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