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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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Leben aus
ihr heraussickerte in Moos und Laub und Waldboden – in die Tiefe – die tiefsten
Tiefen –
     
    11.
    Der blaue Himmel wurde grau, dunkel, schwarz. Der
Neonfleck in ihrem Verstand leuchtete nicht mehr so grell, seine Ränder
verschwammen allmählich, fransten aus. Von ihrem Körper fühlte sie nichts mehr,
wusste auch von sich selbst nicht mehr, als dass sie ein winziger, kaum
atmender Glutpunkt mitten in einem riesigen dunklen Wald voller Stimmen war,
ein schwaches Echo des verzerrten Gesichts, das in der Schwärze über ihr stand
und sie blendete.
    Sie kam unvermittelt zu sich, als der Himmel wieder
hell war. Etwas lag warm auf ihr wie eine Decke. Es war Sonnenlicht. Im hellen
Himmel flogen ganze Schwärme von Schwalben, und sie sah ihnen zu, bis es wieder
dunkel wurde, dunkel, still und sehr, sehr kalt.
    In der Morgendämmerung sah sie dann auf einmal das
Kind auf einem von ockergelben Flechten gefleckten Stein sitzen. Ein dürres
kleines Mädchen mit langen, zotteligen, dunkelbraunen Haaren, die über ein
rot-weiß gestreiftes T-Shirt fielen. Das T-Shirt war voller Flecken und kam
eindeutig aus einem Billigdiscounter, ebenso wie die hellblaue Jeans mit dem
Riss am Knie und die Sandalen, in denen ihre nackten Füße steckten. Das Mädchen
saß da, betrachtete sie und nagte an einem großen, mit Schokolade überzogenen
Apfel.
    Hallo, sagte Kate mit Mühe, dabei fühlte es sich gar
nicht so an, als könnte sie ihren Mund bewegen. Das Mädchen schien sie trotzdem
zu verstehen.
    „Du musst mal was trinken“, sagte es und biss ein
knackendes Stück Schokoladenguss ab. „Du siehst ganz vertrocknet aus.“
    Ich kann mich nicht bewegen. Nicht mal den Kopf.
    „Er hat dich vergiftet. Ein mieses Schwein. Aber er
hat’s nicht ganz geschafft, oder?“
    Nee, ich glaub nicht, nicht so ganz.
    Das Mädchen hatte eine dunkelgrüne Umhängetasche neben
sich auf den Waldboden gelegt, die öffnete es jetzt und nahm der Reihe nach
vier verschiedene Duschgel-Flaschen heraus, öffnete jede einzelne und roch
daran. Zum Schluss kam noch eine schmetterlingsförmige, mit grünen Steinen
besetzte Haarspange.
    „Die ist schön, ne?“
    Ist sie. Woolworth, das Duschgel-Regal … der Stand mit
Modeschmuck direkt daneben.
    „Claire killt mich, wenn sie die sieht. Und in der
Schule ist so was nicht erlaubt. Was soll’s. Bleibt immer noch der Abend.“ Sie
strählte versuchsweise das verzottelte Haar und klippte es dann mit der Spange
zusammen.
    Du musst aufpassen. Der Typ mit dem mickrigen grauen
Bärtchen, der immer am Eingang rumschleicht, das ist ein Detektiv. Er kann
ziemlich unangenehm werden, wenn er dich erwischt.
    Das Mädchen musterte sie nachdenklich und nickte dann.
„Klar. Weiß ich.“
    Und lass besser die Finger von den teuren Sachen,
Parfum und so. Da verstehn die keinen Spaß mehr. Und um dich dann wieder
rauszupfuschen, dazu bist du noch zu jung.
    „Ach ja?“ Ihr Blick ging von Skepsis in lächelnde
Ironie über, aber sie kommentierte das nicht. Stattdessen fummelte sie an der
Spange herum. „Ich trag sie trotzdem in der Schule. Jedenfalls übermorgen.
Jedenfalls am Nachmittag. Ich hab da was vor. Sieht es gut aus?“
    Ja, richtig gut. Aber hör mal –
    „Ich muss jetzt los. Du solltest wirklich versuchen,
irgendwie an den Bach zu kommen. Ist gar nicht weit bis dahin. Vielleicht
schaffst du es ja morgen.“
    Kommst du wieder?, rief sie ihr noch nach, aber da war
sie schon weg, und es blieb wieder nur das Rauschen der Baumwipfel im Wind.
Aber jetzt war sie wach.
    Noch eine Nacht. Die Kälte war schlimm, aber sie
versuchte, den Tau von den Lippen zu lecken. Es dauerte ewig, weil ihr Mund
nicht zu kapieren schien, was ihr Kopf von ihm wollte. Aber dann schmeckte sie
Kühle.
    Mittags war sie auf einmal wieder da. Diesmal waren
ihre Haare ordentlich, geradezu streng frisiert, und die Schmetterlingsspange
hielt einen geflochtenen Zopf.
    „Hör mal, du siehst echt nicht gut aus. Ich hab dir
’ne Wasserflasche mitgebracht – versuch mal zu trinken!“
    Wasser rann in ihren Mund. Ein Panikmoment. Dann
schluckte sie gierig.
    „Ich lass dir die Flasche hier.“ Sie setzte sich
wieder auf den Stein, wie gestern. „Ich will dir ja keine Angst machen, aber
nicht weit von hier sind diese Typen unterwegs, diese Killer oder Kannibalen
oder was die sind. Nicht viele, nur so vier oder fünf. Du solltest das
Mondamulett rausnehmen, das du Galen aus dem Rucksack geklaut hast. Leg es auf
deine Brust. Dann lassen sie dich

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