Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)
in der Stadt treffen! Ich – will – hier –
weg! “
„Setz dich. Und jetzt trink was!“ Er drückte sie auf
einen Felsbrocken hinunter, an dem eine dieser grünen Matten klebte. Dann
machte er die Wasserkruke von seinem Rucksack los und hielt sie ihr hin.
„Wir hätten doch was tun müssen! Wir hätten ihn
löschen müssen!“
„Und dann? Mal angenommen, wir hätten das geschafft.
Was wäre dann aus ihm geworden, hier, mit Verbrennungen am ganzen Körper, ohne
medizinische Hilfe, in dieser Horde von Verrückten?“
„Sie glauben, die Welt geht unter, jetzt, bei diesem
Fest“, sagte Bagratuni, der ganz käsig aussah. „Hab ich letzte Nacht gehört.
Die sagen, es kommt eine schwarze –“
„Carmino! Hör auf. Hört beide auf. Das sind Fanatiker.
Wir können denen nicht helfen. Wir gehen jetzt einfach weiter, unseren Weg. Kümmern uns nicht um die da. So, geht es jetzt wieder? Kannst du weiter?“
Hatte sie wirklich Rehaugen gedacht vorhin? Was
für ein Quatsch. Da war nichts Weiches in diesen Augen, in dem ganzen Gesicht
nicht. Nur Ruhe und Entschlossenheit, und dafür war sie dankbar. Das kalte
Wasser war auch gut. Sie nickte und gab ihm die Kruke zurück.
„Ja. Tut mir leid, dass ich heute Morgen so ein Arsch
war.“
„ Heute Morgen ?!“, quäkte Affenhirn mit
kreidigem Grinsen.
Vielleicht hatte er Recht.
4.
Es war halb zehn, als Dorian endlich an der
verabredeten Stelle an der Fischermole ankam, eine halbe Stunde zu spät – keine
schlechte Leistung, wenn man bedachte, dass er die Nacht nur ungefähr
fünfhundert Meter entfernt verbracht hatte. Natürlich stand Rowland da, in
überkniehohen Skalda-Stiefeln, die fellgefütterte Kapuze aufgesetzt zum Schutz
gegen den Wind, der trotz der Sonne eisig auf einen losfegte. Sein Schwager las
die Zeitung, Ligissilas Kechu te Bedan , die er selbst wohl auch heute
wieder nicht aufschlagen würde. Er sah erst auf, als sie fast vor ihm standen,
und steckte Innerhalb und Außerhalb in seine Jackentasche.
„Wo bleibst du denn?! Ich warte jetzt bald eine
Dreiviertelstunde – war sogar schon in Östred, dachte, ich fang dich da ab. Und
hör dann von Tom, dass du gar nicht mehr rübergefahren bist gestern! Was ist
los? Wieder versackt? Und wer ist das da?“
Das da war
natürlich der Hauptgrund für ihre Verspätung. Sandrou hatte nicht aus dem Haus
gewollt, nicht mal aus dem Bett, und als Dorian es endlich geschafft hatte, ihn
zu überreden, hatte er erst noch eine panische halbe Stunde auf dem Klo verbracht
– einem unsympathischen Abtritt, durch den man direkt ins Hafenwasser
hinuntersehen konnte.
„Das ist Sandrou“, krächzte er; er konnte kaum
schlucken heute Morgen. „Ist ’ne lange Geschichte.“
„Ist das etwa deiner?“
„Hä?“
„Ob das dein Kind ist, Inglewing! Was ist daran schwer
zu verstehen?“
„Nein, Autrejaune, das ist nicht mein Kind. Es ist ein
verschleppter Graico, der mit der Truppe unterwegs war, der ich mich im Sommer
eine Weile angeschlossen hatte. Ich hab ihn gestern Abend in den Tents in Östred
zufällig entdeckt und einer Pilgerin abgekauft, die ihn an einer Leine hielt.
Beantwortet das deine Frage?“
„Und was willst du jetzt mit ihm machen?“
Er fühlte die Kinderklauen schon wieder durch alle
Ärmel hindurch, der Junge scheute zurück wie ein geprügelter Hund. „Ich bring
ihn zu den Montagus zurück, sobald ich Zeit dafür finde. Heute muss er wohl mit
uns aufs Wasser.“ Er warf seinem Schwager einen so drohenden Blick zu, dass der
darauf verzichtete, das Thema zu vertiefen, und nur seufzend den Kopf schüttelte.
„Wo ist Aiba?“, fragte Dorian erleichtert, löste
Sandrous Krallen von seinem Ärmel und nahm ihn stattdessen an die Hand.
„Noch nicht da. Was heute vielleicht ausnahmsweise mal
nicht seine Schuld ist. Richtung Östred ist überall der Affe los. Diese Leute,
diese Pilger – ein undisziplinierter Haufen von Besessenen! Letzte Nacht sollen
sich beim Siechenumzug fünf Leute ins Wasser gestürzt haben, hier im Hafen!
Rituale, schön und gut! Aber Selbstopferung für die Göttin – das ist doch
primitiver Unfug. Zeigt deutlich, was das für Leute sind!“
Hoffentlich fing der jetzt nicht wieder eine Rede über
rettenswerte und weniger rettenswerte Teile der Bevölkerung an. Dorian hatte
das Gefühl, dass sein Geduldsvorrat heute noch begrenzter war als sonst.
„Hunger!“, sagte Sandrou, zum Glück auf Graix, dessen
Kenntnis nicht zu Rowlands breit gefächerten Vorzügen
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