Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

nicht so weit von ihm auf
einem Wagen im Tent. Feuer! Flammen schlugen auf – er sah ein Zugtier, das dort
angebunden war, panisch steigen, mit den Hufen schlagen, ein schwarzer
Schattenriss vor dem Gelbrot der Flammen –
    Das nächste Stück – Ballast?! – schlug genau auf den
Küstenweg, dicht beim Blauen Haus, und der Pulk, der dort gerade noch den
Tyggboren hatte ausräuchern wollen, spritzte kreischend auseinander. Eine
gleißende bläuliche Stichflamme schoss an der Front des Hauses auf – ein paar
Meter höher, und sie hätte das Flugschiff selbst in Gefahr gebracht. Über die
Straße rannen zischende, brennende Spuren. Sandrou zerrte an seinem Bein, biss
ihn schließlich –
    Aber er, Dorian Inglewing, Erfinder und Erbauer dieser
allerneuesten Errungenschaft, stand da und konnte keinen Fuß rühren, weil er
das sehen musste. Weil er sehen musste, wie Brand und flüssiges Feuer von seiner
Erfindung hinunterfielen, auf den Strand, die Küstenstraße, das Blaue Haus, die
Tents – in die auseinanderrennende, schreiende Menschenmenge hinein. Er musste
zusehen, wie das Schiff beidrehte, um den Küstenabschnitt der Länge nach zu
überfliegen und systematisch seine Last darüber auszustreuen: Feuerkörbe,
brennende Klumpen, strömende Flammen. Er sah einen Wagen drüben auf der anderen
Straßenseite regelrecht explodieren, brennende Teile beschrieben weite,
grünlich leuchtende Bögen, bis sie über dem Strand verglühten.
    „ Dorian !“, kreischte eine Stimme in höchsten
Tönen direkt in sein Ohr. „ Komm jetzt !“
    Jemand, der stärker und größer war als Sandrou, riss
ihn mit aller Gewalt vom Fleck, und endlich bewegten sich seine Beine wieder,
stolperten neben der weißen Gestalt her, die sie beide mit sich zerrte, ihn und
Sandrou. Er wurde heruntergerissen und unter einen Wagen gestoßen, neben den
Kleinen, der dort schon wie eine Maus mit schreckstarren Augen kauerte. Durch
die Speichen eines Rades direkt vor seiner Nase sah er immer noch zum Himmel
hinauf, wo gerade wieder die Gondel unter dem kahlen grauen Monsterschädel des
Ballons erschien.
    „Duck dich!“, kreischte Pix. „ Runter !!“
    Im selben Moment landete vor ihnen auf der Straße so
ein Feuerkorb, zerplatzte, und die Flammen rannen in Strömen über den Weg,
erwischten einen flüchtenden Esel, brannten sich auf den Wagen zu, unter dem
sie hockten. Scharfer, metallsaurer Geruch ging von diesen brennenden Schlangen
aus, und er fragte sich, was für ein Pulver sie dafür verwendet hatten, wessen
Werk diese Erfindung war, und ob der Betreffende wohl geglaubt hatte, dass er
da ein neuartiges Feuerwerk für ganz besondere Anlässe entwickelt hatte.
    Das alles rotierte weiter in seinem Kopf, während er
zwischen brennenden Wagen und Zelten, panisch flüchtenden Menschen und Tieren
hindurchrannte. Eine Gestalt, deren Rücken brannte, schoss an ihnen vorbei,
unter Schreien, die er nie mehr vergessen würde. Er hielt Sandrou an sich
gepresst und versuchte Pix nicht aus den Augen zu verlieren, hielt auf die
Stadt zu, die jenseits von Flammen und schwarzen Qualmwolken immer noch
friedlich schimmernd in der Nacht stand. In dieser Richtung war die Südstraße!
Die mussten sie erreichen! Dass sie sich nur nicht in diesem immer dichter
brennenden Gewirr verirrten! Noch waren es viele einzelne Brände, aber hier und
da schlossen sie sich schon zusammen. Sie mussten hier raus, bevor sich der
ganze Küstenabschnitt in ein Flammenmeer verwandelte!
    Aber die Stadt wird er nicht abbrennen!, dachte er. Er
konnte kaum noch Luft holen und riss sich das Tuch vom Kopf – was dumm war,
denn Hitze und Rauch waren so noch schlimmer. Keuchend, mit kaum noch
erträglichen Seitenstichen taumelte er voran, seine Arme erlahmten unter dem
Gewicht von Sandrou. Irgendwann konnte er nicht mehr weiter, lehnte sich
hustend gegen die Klippen, die eben aus dem Rauch vor ihnen aufgewachsen waren.
Eine Böe frischer Luft wischte zwischen dem Qualm hindurch … die Feuerwände
lagen plötzlich hinter ihnen. Dann hüllten Rauch und Hitze ihn wieder ein. Pix
schrie ganz in der Nähe laut herum. Sandrou stand nur stumm neben ihm und hielt
ihn am Jackensaum fest. Zwischen Rauchfetzen sah er immer wieder Leute
vorbeirennen, alle in derselben Richtung – landeinwärts. Dunkel kapierte er,
dass sie die Südstraße erreicht hatten, aber wo waren die anderen? Hatten sie
sich nicht hier treffen wollen? Waren sie unter den Flüchtenden, die an ihnen
vorbeirannten? Der Mob von eben,