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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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Schlafsack im Stroh. Dämmriger Wagen, und alles andere blieb draußen.
Doch, das war besser. Besserer Platz zum Sterben als hier mitten im knisternden
Verfall. Vielleicht sogar – Haminta. Sie würde ihn zudecken. Er schaffte es, dieses
Bild viele Stunden lang in seinen Gedanken in der Schwebe zu halten: Die Ecke
im Wagen, wo er im Stroh unter der Decke lag, und ihre Hand, die über sein Haar
strich. Es war kostbar, so gut, dass man es gar nicht hätte denken dürfen, aber
er tat es trotzdem. Erst gegen Abend wurden die Schmerzen in seinem Knie, im
Rücken und im Brustkorb wieder so laut, dass er das Bild nicht länger halten
konnte. Schlimmer noch, es ging kaputt. Die würden ja selbst mit Sterben
beschäftigt sein. Haminta würde gar keine Zeit haben, ihm über die Haare zu
streichen. Vielleicht würde sie es auch nicht wollen, selbst wenn sie Zeit
hatte.
    Warum sollte sie, kleiner Hakemi?, fragte die süßliche
Stimme in seinem Kopf. Was sollte sie von einem wie dir wollen? Und was
willst du überhaupt im Wagen, willst du dir dein Werk etwa nicht ansehen? Das
Werk, das wir zusammen vollendet haben! Davon hast du doch immer geredet – dass
wir zusammenarbeiten sollten! Am Schluss haben wir das doch ganz gut
hingekriegt, findest du nicht?
    Die meiste Zeit über dachte er gar nicht. Da sah er sich
sein Werk an und fand, dass es ziemlich vollkommen war. Wie die Bräune sich in
das grüne Wiesen- und Ackerland da unten hineinfraß. Braun und grau oder
schwarz – es kam auf die Sorte Grün an, über die Kumatais Saat herfiel. Man sah
viele rauchende Felder, wo die Leute ihre frisch aufgegangene Wintersaat
abfackelten. Auch hier an den Berghängen gab es Weiden und einzelne Höfe. Sie
kamen an brüllenden Kühen vorbei, die mit aufgetriebenen Leibern in die Zäune
taumelten. Was immer sie noch zu fressen gefunden hatten, es war ihnen nicht
bekommen. Erkahlende, wispernde Hecken, schwarz überlaufene Nussbäume, braunrot
bepelzte, stinkende Tümpel. Farn, der zu kräuseligen grauen Büscheln geworden
war. Moospolster, die jetzt wie winzige Wälder aus weißlicher Asche waren und
zerfielen, wenn man sie berührte. Herbstlaub, das vor ein paar Tagen – als der
Tyggboren noch in die andere Richtung unterwegs gewesen war, auf dem Weg zu
seinem Ziel – in Rot und Gelb geflammt hatte und sich jetzt mit dunklen Flecken
übersät, eingerollt, bröselnd über den Waldboden ergoss. Zwei tote Schafe mit
schwarz überstäubtem Fell, die in einer aschegrauen Brombeerhecke
hängengeblieben waren. (Firn war nicht zu bremsen, wollte die Tiere
herausschneiden, um an ihr Fleisch zu kommen – aber das stank schon.) Manchmal
begegneten sie auch Menschen. Andere Flüchtlinge, die sie misstrauisch
anstarrten oder blicklos an ihnen vorbeihuschten. Ein Mann, der mit dem Gesicht
nach unten mitten in einem ehemaligen Gemüsebeet lag, vielleicht war er tot,
nein, er weinte. Zwei junge Kerle, die mit altertümlichen Flinten bewaffnet vor
der Umzäunung eines Hofes standen. Zaun und Gebäude waren frisch mit weißer
Farbe bemalt, auf der man die schwarzen Schlieren des Staubes besonders gut
sah. Zweimal Postreiter, die ihre Pferde die Bergwege hinaufzwangen, um auch
hier die Erklärung für die Katastrophe nachzuliefern und die neuesten
Notgesetze zu verkünden. Fahlagrind, so hieß Kumatais Pilz jetzt offiziell.
    Der Pfad führte oft an Steilhängen entlang, dann
konnte man auf Baumkronen oder zerklüftetes Felschaos runtersehen. Gestern
Abend waren sie ein ganzes Stück am Rand einer fast senkrecht abfallenden
Felswand entlanggegangen, die so glatt war, dass sie im diesigen Sonnenlicht
glänzte wie Schiefer. Ihm kam der Gedanke, dass er da irgendwo runterspringen
könnte. Für Halfasts Methode fehlten ihm die Mittel: Seine Messer steckten für
immer in einer Kimberwand. Er konnte es auch mit dem Gürtel versuchen, an
irgendeinem Baum. Aber die anderen ließen ihn nicht aus den Augen, nicht mal
nachts. Außerdem, wozu die Umstände, wenn sterben sowieso nur eine Frage der
Zeit war. Als Haufen blutiger Matsch oder mit dem Gürtel um den Hals an einem
Baum gefunden zu werden, vollgepisst und in der eigenen Scheiße – die
Vorstellung war pathetisch und lächerlich. Deshalb natürlich auch irgendwie
passend. Immerhin war er der Mann, der das hier ausgelöst hatte, weil er sich
von einer Frau hatte zusammenschlagen lassen.
    Heute flaute der Ostwind ein bisschen ab. Das gab dem
Fahlagrind Muße, sich seinem neu eroberten Reich intensiver zu

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