Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Beleuchtungsanlage für 188 000 Mark installiert worden.
Trotz allem liebt es der Kanzler, den Beamten von der Sicherheit den Schweiß auf die Stirn zu treiben. So taucht der Mann, der – wie bei einem Auftritt im schleswig-holsteinischen Wahlkampf – schon mal von hundert Polizisten beschützt wird, immer mal wieder auf unerklärliche Weise ohne bewaffnete Entourage auf.
Bei der Blütenfahrt 1980 im Alten Land steuert der Kanzler seinen Mercedes höchstpersönlich nach Jork zur Galerie des Obstbauern Hans-Dieter Ritter, um der Vernissage des befreundeten Künstlers Christian Modersohn beizuwohnen.
Auch FDP-Mann Uwe Ronneburger erhält Besuch vom Selbstfahrer Schmidt, der im August 1982 vor dessen Reetdach-bewehrtem Bauernhof in Eiderstedt vorfährt, herausspringt und begeistert posaunt: »Uwe, habt ihr neu gedeckt?«
Auch dem Konsumterror will sich der Kanzler trotz Gefahr durch die RAF gelegentlich hingeben. Im Terrorjahr 1977 arbeitet er deshalb Lokis Einkaufszettel persönlich ab.
Am 19. Dezember 1977 betritt der Kanzler das Weinhaus Grohl am Hamburger Klosterstern. Er kauft 24 Flaschen Sekt seiner Hausmarke »Gillot«. Deutscher Jahrgangssekt, trocken. Unter »Hallo Helmut«-Rufen geht er dann wieder.
Als Helmut Schmidt doch einmal …
… die Jugend verführte
Im Jahr 1980 ist Helmut Schmidt nicht gerade ein Popstar. In den Jugendzimmern der Republik hängen Poster von Pink Floyd, die soeben ihr Endzeit-Epos »The Wall« herausgebracht haben. Oder von David Bowie, der mit »Ashes to Ashes« reüssiert. Und im Karneval geht man vielleicht als »Luke Skywalker« aus dem Film Das Imperium schlägt zurück , der ebenfalls 1980 in die Kinos kommt. Bald werden Reagan-Pappgesichter in Mode kommen – als Ersatz für Monstermasken.
Nein, Politiker sind im Jahr 1980 schon längst keine Helden mehr. Ganz abgesehen davon, dass Jugendliche sich wohl selten Weltenlenker zum Vorbild nehmen, es sei denn, sie sind tot, sehr weit links und tragen Baskenmützen, so wie Che Guevara, ewiger Reserve-Jesus und Held der T-Shirt-Industrie.
Der Jugend fehlt einfach der Sinn dafür, dass Schmidt und der französische Staatspräsident Giscard d’Estaing das Lennon/McCartney-Duo der europäischen Währungspolitik sind. Ihr fehlt der Blick für die taktische Schönheit der Schmidt’schen Nachrüstungspolitik, die einem Schachspiel auf höchstem Niveau gleicht.
Schmidt ein Vorbild? Fehlanzeige.
Doch es gibt ermutigende Ausnahmen: Im Herbst 1980 kommt es im Gymnasium des Hamburger Stadtteils Farmsen zu einem Zwischenfall, der beweist, dass Schmidt doch zum Popstar taugt: Offensichtlich vom Schmidt’schen TV-Dauerschnief (es ist Wahljahr) angestachelt, veranstalten die dortigen Oberschüler einen Schnupftabak-Wettbewerb, an dessen Ende ein zwölfjähriger Schüler ärztlich versorgt werden muss.
Der Kanzler erhält eine Rüge vom Schulleiter. Der heißt Uwe Schmidt und regt in einem Brief ans Kanzleramt an, »daß während der Zeit des Fernsehauftritts das Rauchen und Schnupfen unterbleiben könnte«.
Schmidt schnupft einfach weiter. Schließlich hat ja umgekehrt 1978 die Jugend auch nicht auf seinen Rat gehört, den Fernsehkonsum einzuschränken.
Als Helmut Schmidt einmal …
… etwas hinterm Scheibenwischer fand
Der Daimler des Kanzlers, ein Mercedes der S-Klasse, Baureihe W116, ist eigentlich ausreichend gekennzeichnet: Der 450er trägt die amtliche Registrierung »0-2«. Nur einer hat noch Beeindruckenderes zu bieten: der Bundespräsident. Der ist in seiner Mercedes-Limousine mit der in Blech geprägten Ziffernfolge »0-1« noch etwas exklusiver unterwegs.
Das müsste auch den Bonner Politessen bekannt sein – ist es aber nicht. Im Februar 1980 verpassen sie dem Kanzler-Daimler einen Strafzettel über 20 Mark wegen Falschparkens vor dem Bonner Bundeshaus.
Was ist nur mit den deutschen Staatsdienern los? Hat die Welle des antiautoritären und staatskritischen Denkens nach zwölf Jahren nun auch das Milieu der Bonner Politessen erreicht – bislang, anders als kommunistische Lokführer und linke Studienräte, kein Hort des Widerstands gegen Schmidt und die »herrschende Klasse«? Steckt vielleicht Strau ß dahinter, mit dem Schmidt im Herbst ums Kanzleramt ringt?
Der Kanzler lässt das Knöllchen prüfen. Auf der Seite des Regierungschefs steht nicht nur eine Verordnung des Straßenverkehrsamtes der Stadt Bonn, wonach Polizeifahrzeuge dort parken dürfen »wo sie es für richtig halten«. Auf der Seite des
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