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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Grabrucker
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andere Verhalten eines Buben gleich irritierte und zum Nachdenken veranlaßte.
    Ich nähe fleißig an ihre Sommerhosen, Blusen und Kleider herzige Knöpfe in bunten Farben, die kleine Tiere, Obst usw. darstellen. Es gefällt mir selbst sehr gut, wenn Anneli als mein niedliches kleines Kind anzusehen ist, so richtig zum Herzen, wenn frau sie sieht. Ich lege Wert darauf, daß sie, zumindest, wenn wir Besuch machen oder etwas Besonderes vorhaben, so angezogen ist. Uberhaupt stelle ich auch bei mir die Tendenz fest, beim Kleidungskauf für sie freundliche, helle Farben zu wählen, oft Rot, Rosa, Türkis, Gelb oder helles Blau. Ellen dagegen mit ihrem vierjährigen Sohn erzählt mir, daß sie bei der Wahl der Farben aufpasse, sich hauptsächlich an die Farben Blau, Braun, Dunkelrot, Grau, Grün usw. halte und nichts Modisches kaufe. Es solle schließlich zu einem Buben passen.
22. Mai 1983 (1 Jahr, 9 Monate)
    Wir sind in Italien mit Christa und Schorschi. Es ist warm, Schorschi hat eine kurze Hose an, Anneli eine lange. Sie schiebt sich selbst den Gummizug am Beinende bis zum Knie hoch und läuft jetzt ebenfalls mit kurzer Hose herum. Christa und ich stellen beide fest, daß sie jetzt wohl schon das Auge für das Modische an der Kleidung habe, ihr Kleidung wichtig sei, und das eben doch wohl, weil sie ein Mädchen sei. Wir plappern das einfach so vor uns hin - wir sehen das Mädchenhafte am ganz harmlosen Akt der Nachahmung. Sie will aber schlicht und einfach so angezogen sein wie das andere anwesende Kind. Daß sie sich an Schorschi orientierte, hatte den einfachen Grund, daß ihr in den langen Hosen zu warm war, Schorschi sich dagegen wohl fühlte und keinen Grund zur Veränderung hatte. Auch Schorschi würde es umgekehrt so machen, nur kämen wir beide bei Schorschi nicht auf die Idee, das als mädchenhaftes Verhalten zu interpretieren.
    Wir kommen aus dem verflixten Schemadenken einfach nicht heraus!
    Am Strand trägt Anneli keine Unterhose, nur einen Kittel mit weiten Ärmeln, der gerade über den Po geht und zwei Schlitze rechts und links hat. Er ist in allen Farben quergestreift. Zwei Söhne-Mütter am Strand bewundern den Kittel und finden ihn praktisch. Im gleichen Atemzug stellen sie fest, wie schade es sei, daß sie ihren gleichaltrigen Söhnen so etwas Hübsches nicht anziehen könnten. Etwas später höre ich von einer weiteren Sohn-Mutter fast wortwörtlich gleiches.
    Ich verstehe nicht, warum eindreiviertel;ährige Buben keine Kittel anziehen können, insbesondere, wenn frau sich vor Augen führt, daß die Generation unserer Eltern noch bis zum Alter von drei Jahren in für alle Kinder gleichen Kitteln herumlief.
    Ich sehe einige Tage darauf in der Zeitung ein Bild von Bismarck als Kind mit seinen anderen Geschwistern. Es ist mir beim besten Willen nicht möglich, den kleinen Bismarck an der Kleidung zu erkennen. Alle Kinder haben Kittel oder Kleider an. Wo ist der Bub ? Trotzdem zweifelte offenbar später niemand an Bismarcks Männlichkeit.
1. Juni 1983 (1 Jahr, 10 Monate)
    In den zwei Wochen Ferien, die wir mit Schorschi und seiner Mutter Christa zusammen verbringen, hat sich zwischen den beiden Kindern neben freundschaftlichem Spiel auch folgende Umgangsweise herausgebildet: Ausgangspunkt: Jedes Kind spielt friedlich für sich allein. Da unterbricht Schorschi sein Spiel und nähert sich Anneli. Jetzt hat er fünf verschiedene Verhaltensweisen in seinem Repertoire:
    1. Er schubst sie, so daß sie hinfällt und brüllt.
    2. Er haut mit der Hand oder einem Gegenstand auf sie ein; sie brüllt; er haut weiter.
    3. Er schubst sie zu Boden und haut auf sie am Boden ein; sie brüllt.
    4. Er nimmt ihr den oder die Gegenstände, mit denen Anneli gerade spielt, weg; hält sie die Spielsachen fest, greift er zu körperlicher Gewalt und entreißt sie ihr. Anneli brüllt* wendet sich ab und kommt nun zu mir, oder sie sucht sich anderes Spielzeug. Schorschi legt nun das eroberte Spielzeug irgendwo ab. Es interessiert ihn nicht mehr. Spielt Anneli nach beendeter Brüllerei mit anderem Spielzeug weiter, beginnt das Spiel von vorne.
    5. Schorschi geht auf Anneli mit bedrohlicher Geste zu, stößt wilde »Uah«- und »Tigerlaute« aus und drängt Anneli in eine Ecke des Raumes. Daß sie laut »nein« brüllt, beeindruckt ihn in keiner Weise.
    Nur wenige Male wird Schorschi von seiner Mutter zum Unterlassen aufgefordert.
    Mit diesem Verhalten steht Schorschi aber nicht allein. Er ist kein besonderes Monster an

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