Typisch Mädchen
schnell auf sie zu, nahm sie in den Arm und sagte: »Das ist ja viel zu gefährlich für dich, komm schnell weg von der Tür«, und dann verließ sie mit Anneli in ihren beschützenden Armen das Zimmer.
"Wir sind auf einem Geburtstagsfest auf dem Land eingeladen. Es sind viele Eltern mit ihren Kindern da, die meisten im Alter von Anneli, unter anderem auch Thomas, der sechs Monate älter als Anneli ist, mit seinem Vater. Bei einem bayerischen Fest wird natürlich auch ein Faß Bier angezapft. Thomas sitzt bei seinem Vater auf dem Schoß, und beide sehen dem spannenden Vorgang zu. Da sagt der Vater zu ihm: »Jetzt paß auf Thomas; paß guad auf, wia ozapft werd, damidzd amoi, wennsd Obabuagamoasta wean wuisd, ozapfa konnsd; des muasd kenna, wennds Obabuagamoasta von München bisd.« (»Jetzt paß gut auf Thomas; paß gut auf, wie angezapft wird, damit du einmal, wenn du Oberbürgermeister von München werden willst, anzapfen kannst; das mußt du können, wenn du Oberbürgermeister von München bist.«) Abgesehen vom Humor dieser Ermahnungen und dem Witz, der in diesen Bemerkungen liegen sollte, stellte ich fest, daß ich auch nicht im entferntesten daran dächte, für Anneli die Oberbürgermeister- Position in Betracht zu ziehen - auch nicht im Witz. So eine Zukunft für meine Tochter ist schlicht und einfach in meiner Vorstellungswelt nicht vorhanden.
Damit bin ich an jenem Punkt, an dem ich als Frau, die für sich durchaus höhere Positionen in Anspruch nimmt, dasselbe bei ihrer Tochter nicht für denkbar hält. Verschließe ich Anneli damit von vornherein die Vorstellung, daß ihr die »Welt« offensteht?
19. Juni 1983 (1 Jahr, 10 Monate)
Ich stehe nach dem Duschen im Bad. Die Tür ist offen. Ich höre nicht, daß Anneli sich von hinten nähert, mir ordentlich mit beiden Händen auf die nackten Pobacken haut und »pitsch, patsch« schreit. Ich bin im Moment erschrocken und untersage ihr zu hauen. Sie dagegen hüpft vor Freude herum und lacht. Zwar schimpfe ich nicht, aber ich erkläre ihr nochmals, daß ich »Leute hauen« nicht gut finde. Kurz darauf erzählt mir eine Kindergärtnerin, die ich zufällig treffe, jammernd, daß die Buben alle so rauflustig seien, weil die Väter zu Hause so viel Raufspiele mit ihnen machen würden.
Ich beginne nachzudenken. Klaus und ich unterbinden bei Anneli jede Form von körperlicher Attacke, indem wir immer ablehnend auf derartige Versuche von ihr reagieren. Machen wir das wirklich nur, weil wir so schrecklich gewaltfrei sind oder weil unsere Vorstellung von Anneli, tief innen, einfach nicht zuläßt, daß sie zuschlägt, weil sie ein Mädchen ist?
Dagegen war ich nie betroffen oder empfand es als körperliche Gewalt, wenn ich sah, wie die Väter sich mit ihren Söhnen beim Raufspiel am Boden kugelten. Erst jetzt bemerke ich, wie oft ich diese Szene bereits sah - in allen befreundeten Familien mit Söhnen. Diese Spiele waren mir eine Selbstverständlichkeit - ich ordnete sie überhaupt nicht als geschlechtsspezifische Erziehung ein. Gerade deshalb wage ich den Umkehrschluß: Es ist mir selbstverständlich, mit Anneli nicht zu raufen, ihr keine körperliche Gewalt zu erlauben, weil sie ein Mädchen ist.
Einige Stunden später kann ich sehen, als sie bei einer Nachbarin beim Töpfern ist, welch körperliche Kraft und Lust am Hauen in ihr steckt. Sie schlägt mit Vehemenz, großer Ausdauer und Kraft auf den weichen Tonblock mit einem großen Lineal ein. Als ich sie dabei beobachte, schießt mir der Gedanke durch den Kopf: »So kenne ich meinen Schatz ja gar nicht.«
Spätnachmittags sind wir eingeladen, und ich binde ihre Lokken mit einem Haarspangerl zusammen, das sie vor einiger Zeit geschenkt bekam. Sie sieht, so hübsch frisiert, auf einmal sehr niedlich, zart und hilfsbedürftig aus. Sie ist mein kleines, süßes Mädchen, und ich schließe sie in meine Arme, obwohl sie eigentlich gerade wegsausen wollte. Damit sie bei mir bleibt, bewundere ich sie und erzähle ihr, daß ich sie sehr schön finde. Natürlich ist ihr das gleich, aber ich merke trotzdem, daß sie mir zuliebe bei mir bleibt. Ihr Blick spiegelt mein Gefallen an ihr wider. - Und wieder einmal haben Mädchen den »angeborenen« Hang zum Schmücken und zur Eitelkeit.
Sie läuft nackt in Omas Garten und bohrt mit dem Finger in ihrer Scheide herum. Das Übliche für mein Empfinden -keine sexuellen Orgien, lediglich Abtasten des eigenen Körpers, sie hätte genauso gut in der Nase bohren können. Oma wendet
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