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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Grabrucker
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Unterschieden, was wir ob unserer »Betriebsblindheit« nicht mehr sehen können. Allein die Anwesenheit, das Leben in der Gemeinschaft vermittelt ihnen schon das »richtige« zukünftige Verhalten des Mannes und der Frau.
26. April 1983 (1 Jahr, 8 Monate)
    Anneli will mittlerweile im Auto vorne auf dem Fahrersitz sitzen und das Auto erkunden. Ich lasse es natürlich zu, setze sie dann aber ziemlich bald, ehe sie selbst das Spiel aufgibt, in ihren Kindersitz. Beim Wegfahren überdenke ich die Situation noch einmal und muß zugeben, daß ich bei Anneli wesentlich weniger lange die Geduld aufbrachte, ihr beim »Lenken« zuzusehen, als es bei Schorschi der Fall war. Lag es wirklich nur daran, daß ich bei Anneli weniger Zeit hatte? Nahm ich mir bei Schorschi mehr Zeit? Mir fällt auf, daß ich sie in letzter Zeit, in der sie etwas mehr Haare bekommen hat, häufiger als notwendig frisierte und dabei ihre Lockenpracht hervorhob. Ich bin mir sicher, daß ich einen Buben auch wegen seiner Locken bewundert, aber keinesfalls öfter frisiert hätte.
27. April 1983 (1 Jahr, 8 Monate)
    Wir gehen unsere Wohnstraße entlang. Es überholt uns ein Fußgängerpaar, ein jüngerer Mann und eine Frau, etwa 40 Jahre alt. Die Frau trägt eine große, prall gefüllte Einkaufstasche.
    Folgender Dialog zwischen Anneli und mir entspinnt sich:
    Anneli: »Was trägt denn die Frau?« Ich: »Eine große Tasche.« Anneli: »Was ist denn drin?«
    Ich: »Vielleicht war sie im Supermarkt einkaufen, und jetzt trägt sie alles heim.«
    Anneli: »Und dann kocht sie.« Ich: »Ja.«
    Anneli: »Dann kocht sie für ihren Mann.«
    Ich: »Vielleicht kocht sie aber auch für ihre Kinder und nicht  für den Mann.«
    Weitere Erklärungen konnte ich gar nicht mehr geben, so perplex und fassungslos war ich über diese Feststellung.
28. April 1983 (1 Jahr, 8 Monate)
    Ich bin auf einer Frauenveranstaltung. Eine Frau kommt unter anderem auf Kinder zu sprechen und auf Geschlechtsunterschiede. Sie betont die Unterschiede zwischen ihrem Sohn und ihrer Tochter und begründet: »Das sind eben die Anlagen.« Sie beschwört, beide gleich erzogen zu haben; schließlich könne sie doch ihren Charakter als Mutter nicht von einem Kind zum anderen ändern. Außerdem lehne sie geschlechtsspezifische Erziehung aus tiefstem Herzen ab. Wir diskutieren ein wenig hin und her. Da meint sie, einen Unterschied bemerkt zu haben, der fiele ihr erst jetzt ein: »Ich frisiere meine Tochter öfter als meinen Sohn; es gefällt mir einfach, wenn sie schön aussieht. Das Frisieren schränke ich bei ihm auf das Allernotwendigste ein. Aber das ist ja auch nicht nötig, ihn so oft zu frisieren, denn er ist so schön, daß er schöner gar nicht mehr werden kann.« Das ist es also! Die Mädchen und Frauen haben es im Gegensatz zu den Buben und Männern nötiger, sich schön zu machen. Der Mann dagegen ist und bleibt so, wie er eben ist; an ihm. gibt es nichts zu verändern und zu verschönern.
1. Mai 1983 (1 Jahr, 9 Monate)
    Cw ir besuchen in Berlin viele Freundinnen, Bekanntinnen und Bekannte. Dabei fällt mir auf, daß sich die Männer - bis auf einen - alle, außer bei der floskelhaften, ungeschickten Begrüßung für das Kind, in keiner Weise mit Annelie beschäftigen. Sie richten nicht das Wort an sie oder schenken ihr sonst in irgendeiner Weise Aufmerksamkeit. Sie sind unnahbar, unerreichbar freündlich zu ihr und signalisieren ihr damit ihre
    Unwichtigkeit, verbunden mit der unausgesprochenen Aufforderung, sich im Hintergrund zu halten, nicht zu stören. Sie folgt diesen Signalen und »stört« tatsächlich nicht. Häufig beschäfigen sich aber die jeweils zu den Männern gehörenden Freundinnen und Frauen mit Anneli.
2. Mai 1983 (1 Jahr, 9 Monate)
    Wir fahren von Berlin zurück nach München. Ich habe im Auto einen Mitfahrer, seiner äußeren Erscheinung nach der Zigarettenreklame-Mann-Mann, seiner Einstellung nach übrigens auch, wie sich bei Gesprächen herausstellt. Anneli versucht immer wieder, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Da richtet er endlich einmal nach mehreren Stunden das erlösende Wort an sie und sagt im typisch männlichen Gehabe der Anmache, so wie es jede Frau kennt, ein bißchen von oben herab: »Na, du.« Es imponiert ihr sehr, daß er sich überhaupt an sie wendet, und sie erzählt mehrere Tage zu Hause immer ^ wieder unvermittelt zwischendurch: »Mann sagt: >Na, du.«< Dabei trifft sie seinen Ton haarscharf. Für mich folgt aus diesen Beobachtungen ihrer Kontakte mit

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