Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Jensen
Vom Netzwerk:
eines stachligen Windröschens Zuflucht gesucht. Ein hilfloser Versuch, sich gegen das Unvermeidliche zu wappnen, denn das Dröhnen und das Aufheulen der Maschinen würde nicht nur sein Trommelfell erreichen, sondern die Fasern seines ganzen Körpers erneut in Schwingung und ihn in die früher erlebte Panik versetzen. Joe brachte seinen widerstrebenden, wild gestikulierenden Vater ins Haus, bevor dieser die heillose Flucht über die Felder begonnen hätte.
    Der infernalische Lärm aus unzähligen Auspufftöpfen war inzwischen unaufhaltsam näher gerückt und so waren die meisten Gäste ins schützende Haus geeilt und drängten sich mit gemischten Gefühlen an den Fenstern.
    Die markante Vorhut bildete ein dichter Pulk von lässig in ihren monströsen Ducati Diavels hängenden, schwarz gekleideten Männern, die kaum einen Blick für die kleine Gruppe am Tor übrig hatten. Es folgten dutzende von Clubs, zu erkennen an den unterschiedlichen Emblemen, und den Höhepunkt bildete ein wuchtiges Trike, ein mobiler Thron für einen Präsidenten, umringt von treu ergebenen Lakaien auf protzig herausgeputzten Harley-Davidsons. Die Nachhut bestand aus Hunderten von Einzelkämpfern der verschiedensten Modelle und Marken und den akustisch pestilenzialischen Abschluss bildete der hoffnungsvolle Nachwuchs auf unzähligen Quads, PS-mäßig zwar minderbemittelt, in Sachen Lärm und Gestank ihren großen Brüdern und Schwestern aber in keiner Weise nachstehend.
    »Eine Inszenierung wie beim Rattenkönig Birlibi aus Grimms Märchen«, knurrte Joe grimmig und ballte die Fäuste, »eigentlich zum Lachen, wenn es nicht die reinste Scheiße wäre!«
    Die alles besudelnde Giftwolke legte sich wie ein schmutziges Tuch über die Landschaft. Selbst der Jäger, der bis zuletzt noch wild und drohend gegen die Horde fluchte, trat von einem Hustenanfall geschüttelt notwendigerweise den Rückzug an.
    Im großen Gastraum konnte man die Ratlosigkeit förmlich greifen. Eines war ganz klar: Das schöne Fest war zu Ende.
    Ohne Verdrängung kann der Mensch schlecht überleben und so trösteten sich einige, dass das Inferno vielleicht ein einmaliger Vorgang gewesen wäre, während die ersten bereits zum Aufbruch drängten. Joe konnte seinen weinenden Vater auf Anraten der Frauen vorerst in einem der freigewordenen Gästezimmer unterbringen, so war gleich Hilfe da, wenn seelischer Beistand nötig werden würde.
    Während Erika zu ihrer Wildtierauffangstation zurückgehastet war, um nach dem Rechten zu sehen, bestiegen Ben und Joe den hauseigenen Pick-up, um der Sache direkt vor Ort auf den Grund zu gehen. Natürlich kannten sie den Weg zum Strand mittlerweile wie im Schlaf. Heute wäre das gar nicht nötig gewesen, denn sie brauchten nur dem Gestank zu folgen, den selbst der stärker gewordene Südwestwind nicht gänzlich hatte vertreiben können.

4. Tyrannenfest und ein früheres Drama
    Ben und Joe fuhren erst mal an Langballigau vorbei Richtung Westerholz hinauf, von wo sich jedes Mal ein grandioser Weitblick über die Förde bot. Da sahen die Männer, dass sich ein dunkler Fleck zwischen den weiß schimmernden Wohnmobilen des Campingplatzes und der Hafenmole breitgemacht hatte. Bereits auf der schmalen Teerstraße, die sich direkt am Strand entlang zog, hörten Ben und Joe die ersten Fetzen einer Ansage und dazu dumpf und plärrend Reste einer Orgelmusik, deren virtuoser Urheber sich angesichts dieser Verunstaltung womöglich im Grabe umgedreht hätte. Und da standen sie, die unzähligen, chromblitzenden Maschinen, hierarchisch wie während des Kolonnenfahrens aufgebaut.
    »Ist schon bemerkenswert, welchen kleingärtnerischen Ordnungssinn die wilden Kerle hier zur Schau stellen«, registrierte Joe bissig. »Und erst diese Aufschrift auf einigen Tanks: Born To Be Free!« Joe grinste breit und lachte nicht ohne eine gewisse Häme in sich hinein. »Sah die große Freiheit nicht irgendwie anders aus?«
    Der Blick der beiden Männer wanderte über die zumeist dunkle, zum Teil sich stiernackig darbietende Menschenmenge hinweg zur hölzernen Bühne mit dem Altar, wo gerade ein schwarz gekleideter Mann mit Bauchansatz und Doppelkinn unterlegt von Mendelssohn Bartholdys unvermeidlichem Hochzeitsmarsch einem offensichtlich gerade Ja sagenden, heiratswilligen Pärchen seinen kirchlichen Segen gab.
    Gleich nebenan, ganz profan und unchristlich, lag das demontierte Schild der ehemaligen Fischerklause. Oben, am Giebel des eilig weiß getünchten Hauses, prangte

Weitere Kostenlose Bücher