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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Jensen
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bereits ›Bikertreff‹ und weiter unten befestigten gerade Helfer ein Schild mit der Aufschrift:
    ›Moto-Markt – 3 × in der Woche geöffnet‹
    »Lass uns zurückfahren«, sagte Joe, der bemerkte, dass Ben immer mehr aus der Fassung zu geraten schien. »Wir haben vorerst genug gesehen.«
    Während der Rückfahrt war besonders für Ben nichts mehr so, wie es war, die ganze Gegend schien für ihn in ein graues gleichförmiges Licht getaucht, ein Licht, das Depressionen nur allzu gern Raum gab und in dem jedweder Silberstreif mit Abwesenheit glänzte. Er fühlte sich wie unter einer dicht abgeschlossenen Glasglocke gefangen, denn die wundervoll seidige, laue Luft des ausgehenden Sommertages erreichte ihn nicht mehr.
    Von Weitem sahen die beiden Nina mit dem kleinen Moritz an der Hand gleich vorn an der Auffahrt stehen, und als diese im Näherkommen die Gesichtszüge ihres Mannes erkannte, zuckte sie zusammen. Joe stieg als Erster aus, während Ben mit versteinertem Blick vorerst im Wagen sitzengeblieben war.
    »Es sieht nicht gerade gut aus«, sagte Joe etwas zögerlich und nach der richtigen Wortwahl suchend, während er sich auf die junge Frau bedächtig zubewegte. Ben war inzwischen ebenfalls herangetreten und umarmte seine Frau stumm, während er seinen Sohn zu sich heranzog und innig drückte. Sie nahmen alle an einem der Gartentische Platz.
    »Joe, was ist los?«, erhob Nina mit einem Seitenblick auf ihren niedergeschlagenen Mann ihre Stimme, in der ein leichtes Zittern mitschwang.
    »Wo sind denn eigentlich alle übrigen Leute?«, fragte Joe stattdessen, um etwas Zeit zu gewinnen. »Was macht mein Vater?«
    »Er wollte unbedingt nach Hause. Ich habe ihn anschließend mit Moritz zu euch rübergebracht. Er machte wieder einen gefassten Eindruck, sodass ich ihn wohl guten Gewissens zurücklassen konnte. Und er ist ja kein kleines Kind mehr.«
    Zur letzten Bemerkung Ninas hätte Joe durchaus etwas sagen können, was er sich aber angesichts der bedrückenden Situation verkniff. Außerdem hatte Nina ja richtig gehandelt und so bedankte er sich bei ihr.
    »Nach Erika ist auch Henningsen mit einigen weiteren Anwohnern gegangen«, fuhr Nina fort. »Raoul arbeitet im Café, da wir noch einige Tagesgäste haben. Ach, und die Werners wollen die Abrechnung haben und heute Abend abreisen. Die Angst vor diesen verdammten Rockern ist mir dermaßen in die Glieder gefahren und ich fürchte mich schon jetzt vor dem einsetzenden Rückreisestrom. Joe – sag mir, was war da unten am Strand von Langballigau los!«
    »Also, Nina, zuerst einmal.« Joe dachte angestrengt nach, wie er ihr möglichst schonend beibringen sollte, was Ben und er gesehen hatten. »Als Ben und ich unten am Strand ankamen, war da dieser selbsternannte Motorrad-Gottesdienst schon in vollem Gange. Entschuldige, Nina, mir sträuben sich bei dieser blödsinnigen Verniedlichung in MOGO sämtliche Nackenhaare.« Joe biss voller Zorn die Zähne zusammen. »Also, es war schon eine eigenartige Messe, allen voran ein kirchlicher Herr Merkwürden, der nur zu gern die folkloristische Gelegenheit wahrnahm, ein öffentlichkeitsgeiles Pärchen zu trauen.« Joe räusperte sich und musterte Ben, dem es ganz recht zu sein schien, dass er die Berichterstattung übernommen hatte. »Leider, leider kommt es noch dicker, denn aus der ehemaligen Fischerklause ist ein Bikertreff mit Motomarkt geworden. Weißt du, so eine Art An- und Verkaufsmarkt für Ersatzteile und Zubehör. Der soll sich dort zukünftig auf der Hauskoppel abspielen. Jedenfalls war das auf den von Hand gepfriemelten Plakaten angekündigt.«
    Zwischen den Freunden entstand ein quälendes Schweigen und alle spürten ein dumpfes Unbehagen.
    »Als ob wir nicht schon genug Schwierigkeiten hätten«, meldete sich Ben mit belegter Stimme.
    »Kann es nicht sein«, ergriff Joe erneut das Wort, »dass der Laden von dem Typen vielleicht eines Tages wieder einschläft?«
    »Ach Joe, du willst uns nur trösten«, erwiderte Nina. »Was ist denn erst, wenn dieser Treff sich womöglich zu einem Mekka für unser Bundesland ausweitet?«
    »Wissen kann man das natürlich nicht, aber ich bin auch nicht ohne Sorgen, besonders, wenn ich an meinen Vater denke«, meinte Joe ernst. »Er hat mir ein einziges Mal von der tragischen Flucht aus Ostpreußen erzählt, die aus ihm das machte, was er heute ist: Einen ängstlichen, kranken, alten Mann. Ich habe das dokumentiert und darüber eine Kurzgeschichte geschrieben. Möchtet ihr die

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