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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Jensen
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Alten zu wecken, deckte ihn behutsam mit einer bereitliegenden Wolldecke zu und hoffte für sie beide auf eine ruhige Nacht.

5. Hinz Henningsen wird es zu bunt
    Mit dem Montag war eine neue Arbeitswoche angebrochen. Hatte der eine oder andere Anlieger der Langballiger Straße gehofft, der ganze Spuk wäre nur eine vorübergehende Erscheinung gewesen, so sahen sich diese schnell getäuscht.
    Insbesondere an den Tagen des ›Motomarktes‹ nahm der Feierabend-Tourismus der Biker deutlich zu und das ruinöse Spektakel vom letzten Wochenende ging mit einer brisanten Variante in die zweite Runde.
    Nun hatten Pulks von Bikern und Quadfahrern zusätzlich die kurvige Nebenstrecke entdeckt, die sich keine 200 Meter parallel zur Langballiger Straße durch das Gelände schlängelte und an der sich sowohl Erika Longs private Tierauffangstation als auch Henningsens Hof mit seinem Jagdrevier befand.
    Dominierte auf der Langballiger Straße noch ein dumpfes Dröhnen, so kurvten hier ständig getretene, aufjaulende Maschinen an Tiefflieger im Sturzflug erinnernd die Ebene hinunter, um sich in Richtung Küste mit der stinkenden Hauptkarawane zu vereinen.
    Kurz zuvor hatte Erika Long in ihrer Auffangstation die Tiere weitestgehend versorgt. Nur der rote Milan, den sie einst als völlig abgemagerten und erschöpften Jungvogel am Waldesrand aufgelesen hatte, wartete auf sein Futter, das aus passend zurechtgeschnittenen Fleischstückchen bestand.
    Anfangs hatte es Erika Long einige Mühe gekostet, den Vogel anzufüttern, denn sie musste ihrem Zögling erst mit einem winzigen Teelöffel von einem Puppengeschirr eine spezielle Mischung aus Traubenzucker und Rehblut einflößen. Ganz allmählich kam wieder Leben in den Milan und er öffnete für kurze Momente die Augen. Nach einer weiteren Durststrecke begann Schlafmütze – wie die Pflegerin ihren Patienten liebevoll nannte –, sich hin und wieder aufzurichten.
    Kurz darauf schlug der Vogel mit den Flügeln und sie richtete dem Vogel eine feste Bleibe auf Zeit in einer der großen Volieren ein. Sie musste ihn noch einmal über der Winter bringen und im folgenden Frühjahr, so hoffte Erika Long, konnte sie ihn wohl auswildern und in seine Freiheit entlassen.
    Außer dem Raubvogel hatte die zähe, zierliche Frau eine Wiesenweihe, drei Turmfalkenküken, Fledermäuse, zwei junge Eichhörnchen und einen weißen Höckerschwan zu versorgen. Der große Wasservogel war tagelang während der kalten Jahreszeit zwischen zwei Booten eingeklemmt gewesen und hatte sich aus seiner misslichen Lage nicht selbst befreien können. Die Freiwillige Feuerwehr des Ortes brachte das Kunststück schließlich fertig, ihn, ohne dass er sich dabei weiter verletzte, aus seiner Fessel zu erlösen. Das Tier bekam anschließend in Erika Longs Auffangstation einen Platz. Da er stark unterkühlt war, bereitete sie ihrem neuen Notfallpatienten ein warmes Heubett, flößte ihm Teichwasser ein und bot ihm eingeweichte Brotstücke sowie Haferflocken als Nahrung an. Bereits nach kurzer Zeit trug die Behandlung Früchte, aber zum See am Schloss kehrte er aller Auswilderungsversuche zum Trotz nie zurück. Er wollte einfach nicht mehr von der Seite seiner Pflegerin weichen und zog es stattdessen vor, den kleinen Teich auf Erika Longs Grundstück fortan als seinen angestammten Besitz einzunehmen.
    Während sie dem roten Milan gerade die letzten Fleischstückchen reichen wollte, brach unvermittelt das mehrstimmig aufheulende Inferno über sie herein. Als sie, die Linke mit einem Falknerhandschuh bewehrt, empört und entsetzt zugleich vor ihr Haus trat, sah sie oben auf der Anhöhe Nachbar Henningsen wild gestikulieren und seine Fäuste drohend dem motorisierten Rudel entgegenrecken. Hauptsächlich fürchtete er, dass diese auf immer und ewig das Wild von seinem Jagdrevier, das direkt an seinem Resthof grenzte, vergrämen würden.
    Obwohl die Tierschützerin und dieser Anlieger nicht gegensätzlicher hätten sein können, spürte sie zum ersten Mal mit dem groben Mann so etwas wie Solidarität. Auch wenn der böse Spuk bis auf einige Nachzügler so schlagartig verschwunden, wie er in die Beschaulichkeit hereingebrochen war, so befanden sich ihre Schützlinge natürlich noch in heller Aufregung. Die wild umherflatternde Wiesenweihe war erneut am Flügel verletzt, den Höckerschwan fand sie in der hintersten Ecke des kleinen Stalls vor und die planlos gegen den Maschendraht ihres Geheges hüpfenden Eichhörnchen schienen sich

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