Tyrannenmord
wir hier jetzt sowieso nicht mehr, von alleine würden diese Bikermassen nie ihren bequemen Wildwechsel zur Küste aufgeben. Das muss man einfach erkennen und mit diesen nackten Tatsachen haben wir uns abzufinden, so bitter das auch für uns alle sein mag.«
»Vielleicht«, brach Joe nach einer Weile, die ihm seltsam entrückt und zeitlos vorkam, das Schweigen, »sollten wir, alle hier, ich meine ebenso Erika und Hinz, noch einmal zusammenkommen und beratschlagen.« Er vermied es dabei, Nina direkt anzusehen. Aber diese schaute sowieso durch ihn hindurch und es schien ihr plötzlich alles egal zu sein.
Noch am selben Abend kam der harte Kern in der ausgebauten Scheune des Jägers zusammen. Nina war der Versammlung ferngeblieben, weil sie sich emotional dazu nicht in der Lage fühlte. Sicherlich kamen ihre Vorbehalte gegen die Gruppenmitglieder dazu, die in ihren Augen zu eigenmächtig gehandelt und damit ihr ganzes Unglück nur verschlimmert hatten.
»Wie ihr ja inzwischen alle wisst«, ergriff Joe als Erster das Wort, »hat unsere Gülle-Aktion zu einem Gegenschlag geführt, mit dem ich ehrlich gesagt, in der Härte so nicht gerechnet habe. Nina hat sich das – natürlich völlig zu Recht – alles sehr zu Herzen genommen, und es tut mir wirklich sehr leid. Auf der anderen Seite sind ebenso Erika, Hinz, mein Vater und ich nach wie vor Betroffene, und immerhin haben wir in das Getriebe dieser gut geölten Maschinerie dieses unsäglichen Thomsen ein wenig Sand streuen können. Und wir konnten ein Zeichen des Widerstandes setzen, das, so hoffe ich, die Mitverantwortlichen von Gemeinderat und Kirche endlich aufwachen lässt … insofern«, Joe schaute zu Ben hinüber, der keinerlei Reaktion von sich gab, »würde ich die Tat immer wieder tun. Meine weitere Hoffnung dabei ist, dass die Gemeinde registriert, dass sie sich mit Duldung der Biker mehr schadet als nützt, und dass sie verstärkt an die anderen Touristen denkt, die schließlich das Hauptgeschäft ausmachen. Ich denke da nur an die mehreren hundert Dauercamper und Wohnmobile vor Ort, die schließlich ihren wohlverdienten Urlaub genießen wollen.«
»Ja, und was sollten deiner Meinung nach die Gemeinderatsmitglieder tun?«, merkte Erika kritisch an, die natürlich zuerst an die Folgen und an ihre Tiere dachte.
»Die Gemeinde könnte eine Eingabe beim Amt für Bau- und Verkehrswesen machen«, erwiderte Joe sachlich, »die den Vorschlag einer weiträumig eingerichteten Fußgängerzone mit einem Fahrverbot für sämtliche Motorräder im Kernbereich kombiniert. Anlieger-Pkw und Lieferanten wären davon natürlich ausgenommen.«
»Ja, und der große Parkplatz direkt am Markt«, brachte Erika zur Sprache, »müsste wohl geschlossen werden? Und wenn ja, müsste infolge ein Ersatz am Ortseingang her. Denn man kann die Biker und die übrigen Ausflügler ja nicht völlig des Landes verweisen. Aber es bedeutet natürlich in der Konsequenz auch längere Wege für alle Tagesbesucher.« Erika seufzte. »Ich befürchte allerdings sehr, dass die Gemeindevertretung an diesem heißen Eisen nicht wird rühren wollen.«
»Ich weiß nicht, ob die Kräfte so eindeutig verteilt sind«, mischte der Jäger sich jetzt in die Diskussion. »Die, sagen wir mal, normalen Tagesgäste, die in der Mehrzahl keine große Lärmbelästigung darstellen, Picknick am Strand machen oder ganz einfach nur ein Fischbrötchen essen wollen, machen neben den Dauergästen doch den Löwenanteil aus.« Der Jäger schaute in die kleine Runde und fügte hinzu: »Jedenfalls wird mit denen mehr Kohle gemacht als mit allen Bikern zusammen, die sowieso nur für sich wurschteln und die das Image der Gemeinde eigentlich nur verschlechtern.«
»Ja, genau, Hinz, und wenn dann Thomsens Laden«, bekräftigte Joe, »für die Herren Biker, die in ihrer Kluft sicherlich nur unwillig lange Fußwege in Kauf nehmen würden, nicht mehr so ohne Weiteres anzufahren wäre und ihnen zudem das Herumprotzen mit ihren Maschinen direkt vor der Kneipe verwehrt bliebe, könnte ihr Interesse – so denke ich – durchaus etwas abkühlen.«
»Ja, Joe«, stimmte Erika Long zu, »das wären auf jeden Fall Schritte in die richtige Richtung, doch, so fürchte ich, es wird nicht reichen.«
Ben schwieg zu allem und als Joe ihn daraufhin ansprach, schüttelte er nur traurig den Kopf. »Ach, Leute«, ließ er sich vernehmen und seine Stimme klang belegt. »Wenn überhaupt, kommt für uns jetzt alles sowieso zu spät. Nina und ich
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