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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Jensen
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heranreichte.
    Weiterhin war geplant, dass er seinem Bruder, die Tatwaffe aushändigen würde. Dieser sollte bis dahin in der Wohnung vor laufendem Fernseher hin und wieder auf und ab gehen, um die Anwesenheit Raouls während der Tatzeit nach außen hin sichtbar und somit glaubhaft zu machen. Der Bruder, der sich illegal im Untergrund aufhielt und den Raoul regelmäßig mit Geldzuwendungen unterstützte, würde im Anschluss daran, so der Plan, mitsamt dem Gewehr spurlos verschwinden, als hätte es ihn und die Waffe nie gegeben.
    Dann war der Tag X plötzlich da, der für Raouls Vorhaben wie geschaffen schien. Es handelte sich um einen Sommertag mit dieser wohltuenden Wetter-Mischung aus milder, warmer Luft in der Sonne und zugleich sanfter Schattenkühle, in der – wenn man sich in sie zurückzog – der Kopf so wunderbar frei und klar werden konnte.
    Wie nicht anders zu erwarten, waren schon seit dem frühen Nachmittag erneut unendliche, unüberhörbare, stinkende Biker-Kolonnen auf ihrem beliebten Wildwechsel Richtung Küste unterwegs gewesen und hatten, wären in Raoul irgendwelche Zweifel an der Durchführung der bevorstehenden Tat vorhanden gewesen, diese damit restlos ausgeräumt.
    Als die ersten Schatten der Dämmerung sich langsam abzuzeichnen begannen, brach er auf. Die Wanderung bis zum Küstensaum verlief ohne große Zwischenfälle. Hin und wieder waren zwar in der Ferne vereinzelte Spaziergänger aufgetaucht, aber er hielt vor deren Wegen genügend Abstand, sodass ihre Hunde kaum Witterung zu ihm aufnehmen konnten. Sollte er wider Erwarten dennoch gesehen worden sein, hätte man den unauffällig wirkenden Angler wohl mit dem späteren Mordfall kaum in Verbindung gebracht. Auf alle Fälle war es gut, vorausschauend und umfassend vorzusorgen – denn dieses Prinzip, jeder noch so klein erscheinenden Nebensächlichkeit hinreichend Beachtung zu schenken, hatte ihm womöglich bereits in der Legion vor Schlimmerem bewahrt.
    Während er sich dem vorher ausgespähten Beobachtungsplatz vorsichtig näherte, vergewisserte er sich zuerst gründlich, dass niemand in der Nähe war. Aber der Ort, über den sich die Dunkelheit zunehmend ausgebreitet hatte, wirkte verlassen und still. Sogar die Pärchen, die von den Dünen aus gern den Sonnenuntergang genossen, hatten sich längst zurückgezogen.
    Lediglich etwa tausend Meter südöstlich von seinem Standpunkt aus und somit genügend weit entfernt, als dass daraus eine kritische Situation für ihn hätte entstehen können, flackerte am Strand ein einzelnes Lagerfeuer, an dem irgendeine Gruppe wahrscheinlich gerade Stockbrote röstete oder sich an Gegrilltem erfreute.
    Raoul hörte vom Bikertreff dumpf stampfende Musikfetzen herüberwehen und einen winzigen Moment erschien es ihm, als wiege der Strandhafer sich dazu in einem rätselhaften, sich seiner menschlichen Wahrnehmung entziehenden vorgegebenen Takt.
    Raoul hatte seine Stiefel bereits unten am Kliff zurückgelassen, über seine Füße vorsorglich dicke alte Socken gezogen und anschließend mit Plastiktüten umwickelt. Er musste davon ausgehen, dass aufgrund des Schusseinfallwinkels sein Standort später definiert und nach verräterischen Spuren abgesucht werden würde.
    Drüben am Bikertreff schien es aus irgendeinem Grund hoch herzugehen, denn alle Augenblicke brandete frenetischer Lärm à la Ballermann auf. Sämtliche Tische waren zu dieser späten Stunde gut besetzt, zwischen denen sich der bullige Thomsen neben seinen billig angeworbenen Aushilfskräften erstaunlich flink und mit einer für ihn ungewohnten Liebenswürdigkeit hin und her bewegte, um eilfertig die Wünsche seiner Gäste zu erfüllen. Selbst vor den Tischen standen zahlreiche laut schwadronierende Biker herum, deren Blicke mal stolz, mal interessiert auf den chromglänzenden und in einer langen Reihe vor ihnen aufgebauten Maschinen ruhten.
    Raoul musste Thomsen in dem Augenblick erwischen, wenn er sich ihm zuwandte, also möglichst in der Sekunde, wo er sich direkt unter dem Türrahmen befand.
    Ein Herzschuss verlangte, selbst mithilfe des Stativs, Auge und Hand einiges ab. Raoul musste sofort treffen, denn weitere Schüsse könnten ihn womöglich verraten, und so lautete besonders hier die altbewährte Maxime, Details des Zufalls auf den kleinsten möglichen Nenner herunterzufahren.
    Raoul erkannte klar, dass er hier ein weiteres Mal seine einstige Könnerschaft unter Beweis zu stellen hatte. Und das nach einer verhältnismäßig langen

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