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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Jensen
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was geht es denn?«, reagierte die Frau leicht schroff und ziemlich unbeeindruckt, während sie dem Vogel, der übrigens ein seltener roter Milan war, geduldig ein weiteres Häppchen hinhielt.
    »Wir wollen von Ihnen wissen«, antwortete Schmidt, »wo Sie sich am letzten Freitag zwischen dreiundzwanzig Uhr und ein Uhr morgens aufgehalten haben.«
    »Na, da war ich natürlich wie immer bei meinen Tieren«, knurrte die Pflegerin. »Zumal ich gerade einige gefiederte Zöglinge in Behandlung habe, die zum Teil des Nachts nach mir verlangen und regelmäßig gefüttert werden müssen.«
    »Normalerweise werden Nestlinge von ihren Eltern nur tagsüber versorgt«, merkte Isabell skeptisch an.
    »Ja, da haben sie ganz recht, junge Frau«, bestätigte Erika Long, während sie Isabell aufmerksam musterte. »Aber eben nur teilweise, denn hier handelt es sich um drei junge Käuzchen, die unter einem Baum total entkräftet aufgefunden wurden. Ich nehme an, dass den Altvögeln etwas Schlimmes zugestoßen sein muss, denn diese hätten ihre Küken nicht allein gelassen. Und um auf Ihren Einwand zurückzukommen, junge Frau: Eulen jagen nachts und verköstigen deshalb hauptsächlich zu dieser Zeit ihren Nachwuchs. Und da die Tiere eines Tages ausgewildert werden sollen, muss ich für sie den naturgemäßen Rhythmus der Nahrungsaufnahme beibehalten.«
    »Ja, das klingt alles plausibel«, entgegnete Isabell. »Einen Zeugen jedoch können Sie dennoch nicht beibringen?«
    »Gewiss könnte ich das«, entgegnete Erika Long zunehmend gereizt, »aber bei der Polizei gibt es ja leider keinen Doktor Dolittle, der die Sprache der Tiere versteht, nicht wahr?«
    Schmidt musste aufgrund der Schlagfertigkeit von Frau Long schmunzeln, denn er kannte den tierlieben Doktor aus seinen Kindertagen noch gut. »Hätten Sie denn was dagegen, wenn wir uns bei Ihnen mal ein wenig umsehen würden?«
    »Ja, Herr Kommissar, das hätte ich. Ohne Hausdurchsuchungsbefehl läuft hier rein gar nichts«, gab sich Erika Long renitent. »Und im Übrigen, sehen Sie ja selbst, was hier alles zu tun ist, da kann ich ein herumschnüffeln überhaupt nicht gebrauchen. Wünsche den Herrschaften ansonsten noch einen guten Tag!«
    »Ach, übrigens, wenn Ihnen etwas einfallen sollte«, Schmidt streckte Erika Long eine Visitenkarte entgegen, die diese wortlos entgegennahm und zur Seite legte, dann wissen Sie, wo Sie uns erreichen können.
    Doch Erika Long hatte sich bereits wieder ihrem Pflegling zugewandt und ob sie den letzten Satz des Beamten überhaupt vernommen hatte, blieb im Dunkeln.
    »Ganz schön resolut, die Dame«, bemerkte Isabell, als sie zum Wagen zurückgingen.
    »Ja, die hat wohl Haare auf den Zähnen«, ergänzte Schmidt, »da haben wir noch einige Arbeit vor uns.«

    Das junge Paar Thams, die Besitzer der Frühstückspension, welches Schmidt und Isabell zuletzt anvisierten, konnte ein lupenreines Alibi vorweisen. Ben und Nina hatten am fraglichen Abend mit Stammgästen einige Runden Rommé gespielt. Den gemeinsamen Aussagen zufolge, waren alle erst gegen zwei Uhr morgens zu Bett gegangen. Weiterhin wurde bezeugt, dass Raoul – der Hausdiener und gewissermaßen Mädchen für alles – den Abend zu Hause verbracht hatte. Ben und Nina erzählten, dass sie dessen Silhouette vor dem bläulich flimmernden Fernseher ganz deutlich gesehen hatten. Beide fanden es abwegig, Raoul mit der Tat in Verbindung zu bringen. Schmidt murmelte daraufhin was von Routine und es sei Usus, dass im näheren Umfeld zunächst mal in allen Richtungen ermittelt werde.
    Schmidt und Isabell gingen zu dem kleinen Nebengebäude hinüber, in dem Raoul Berger eine Wohnung zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Auf ihr Klingeln öffnete ein mittelgroßer, älterer Mann mit kurz geschorenen Haaren. Raoul ging auf die sechzig zu und führte, nicht sonderlich überrascht, die beiden Polizisten sogleich in sein Wohnzimmer.
    In dem Zimmer, das sauber und aufgeräumt wirkte, befand sich eine helle Couchgarnitur, ein bräunlich und in lichten Ocker-Farben gemusterter Teppich auf geöltem Dielenboden sowie eine gelaugte Anrichte, auf der der Fernseher stand. Alles war gut aufeinander abgestimmt und schien preiswert, registrierte Schmidt.
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten, einen Kaffee vielleicht, oder ein Wasser?«
    Die beiden Beamten entschieden sich für das Wasser.
    »Herr Berger, wir hätten einige Fragen an Sie«, begann Schmidt, »wo waren Sie zur Tatzeit des Mordes, am letzten Freitag zwischen

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