Über Alle Grenzen
frischen Lehrer, ist einfach stilvoller. Jahrelang war ich vor Müdigkeit fast vom Thron gefallen. Obwohl die Übertragung bei den Vorträgen so stark ist, dass alles andere eher nebensächlich wirkt: Ein mit dem Schlaf kämpfender Lehrer ist nicht gerade das, was neue Leute erwarten. Am schlimmsten und richtig peinlich wurde es, wenn ich vor laufenden Aufnahmegeräten dieselben Meditationsstufen mehrmals oder in verschiedenen Sprachen wiederholte. Obwohl mein einziger Wunsch war, alles für alle zu tun, schaffte es sogar mein Wikingerkörper nicht, rund um die Uhr zu arbeiten.
Lopön Tsechu mochte Rödby, Wuppertal, Graz und die Freunde in Brescia sehr. Die sonderbaren Verhältnisse in Polen damals verstand er sofort. Er hatte selbst noch merkwürdigere Sachen erlebt, kannte von seinen Reisen sowohl die russische als auch die mongolische Bürokratie. Und die Behörden in Nepal und Indien schlugen sowieso fast alles. Nach Wochen mit über 200 Stundenkilometern durch Europa in unserem alten BMW verabschiedeten wir Lopön Tsechu Ende Mai an der holländischen Grenze. Nach der hektischen Zeit sollte er nun auch etwas Urlaub haben.
Mit Lopön Tsechu
Mustang und Bhutan
Wieder war es Zeit für eine Pilgerfahrt in den Himalaya. Wir landeten mit etwa fünfzig Freunden in Kathmandu, und meine Mos, die diesmal für Tibet sehr schlecht gewesen waren, hatten nur die Spitze des Eisbergs gezeigt. Ganze Berghänge waren aufgrund von Abholzung abgerutscht, sowohl auf der tibetischen Seite als auch dort, wo wir schon im letzten Jahr hatten klettern müssen. Ein paar Träger stürzten hier jeden Tag in den Tod.
Auf dieser Strecke waren übrigens Marion, Annette und Christian aus Wuppertal Zeugen eines Wunders gewesen, von dem sie erst später erzählten: Ein mannshoher Felsen hatte sich oberhalb der Straße losgerissen und war direkt auf ihren Bus zugerollt. Sie riefen im Schock unseren Schützer Schwarzer Mantel an; der Brocken änderte entgegen der Naturgesetze plötzlich seine Richtung und hinterließ eine Bahn gebrochener Bäume den Berg hinunter.
Trotz aller Hindernisse wollten die Raidwangener aus unserer Gruppe unbedingt nach Tibet. Wir mochten aber nicht allen zumuten, tagelang in irgendeinem Dorf auf nicht erscheinende Laster zu warten. Außerdem waren mehrere schon in Tibet gewesen, und die meisten waren vor allem gekommen, um mit uns zusammen zu sein. Im Hinterkopf hatte ich eine besondere Hoffnung, von der ich aber nur Hannah erzählt hatte: Möglicherweise konnten wir auf dieser Fahrt wirkliches Neuland betreten. Nach Tenga Rinpoches Mos würde die Gruppe, die nach Tibet wollte, die Fahrt überleben, und so gaben wir ihr die Geldspenden und Geschenke für Tsurphu mit, die damals so sehr gebraucht wurden und der Hauptgrund für uns gewesen wären, dorthin zu fahren. Jetzt konnten wir uns einen alten Wunsch erfüllen. Mit etwas Glück würden wir Mustang zwischen der Touristen- und der Regenzeit erreichen.
Wir mieteten einen Bus nach Pokhara, wohnten im Hotel bei der Landebahn, und schon am nächsten Tag bekamen wir einen überfüllten Flug für die Hälfte von uns. In den armen Ländern ist nichts stilvoll, und Tomek musste für wenige Plätze richtig kämpfen. Jeden Tag um zehn Uhr morgens entstehen in diesem Gebiet Hitzewinde, weshalb nach dieser Zeit kein Starten und Landen mehr möglich ist. Nie zuvor hatten wir einen solchen Flug erlebt. In der kristallklaren Luft schienen die kilometerhohen Schneeberge so nah, dass man glaubte, sie berühren zu können. Hinter ihnen lag das Hochland Mustang, eigentlich ein Stück Tibet. Die Gurkhas hatten es im 18. Jahrhundert Nepal einverleibt, weshalb die Chinesen es nicht hatten zerstören können.
Die Kraftprobe
Der Pilot war tüchtig. Trotz starker Windböen schaffte er es beim zweiten Anlauf, auf der schmalen Bahn vor der Hauptstadt Jomsom zu landen. Wie immer in tibetisch besiedelten Gebieten war uns alles sofort vertraut. Die fünf Grundfarben, die überall verwendet wurden, strahlten klar in der dünnen Luft. Die Häuser hatten flache Dächer, und überall lagen mit Mantras beschriebene Steine. Völlig unpassend wirkten die vielen nepalesischen Soldaten, sie gehörten wirklich nicht in dieses Stück Zentraltibet. Am nächsten Morgen bestellten wir einige Pferde für den nachkommenden Teil der Gruppe. Wir hofften, dass diese besser sein würden als das, welches wir bekommen hatten. Es war so verrückt, dass wir es noch vor der Zahlung zurückgaben. Stattdessen
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