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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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verteilten wir das Gepäck nach der Stärke der Leute. Die Strecke am Fluss entlang in der schneidenden Sonne war nicht leicht. Bald verfluchten unsere Freunde jede Zigarette, die sie jemals geraucht hatten, und jedes Gramm Fett, das sie zuviel auf den Rippen hatten. Es war eine echte Willensprobe. Ein hoch gebildeter Freund aus Passau, schon damals im Anfangsstadium einer unheilbaren Krankheit, schnaufte wie eine Lokomotive, gewann wegen seiner Durchhaltekraft jedoch bald die Achtung aller.

    Wäscheschau

    Hinter einem reißenden Bergbach liegt das malerische Dorf Kagbeni. Man durfte nicht näher an die tibetische Grenze herankommen, und so übernachteten wir hier. Die Zeit war zu knapp, um mit so vielen weiter nördlich zu wandern. Auch wegen Lopön Tsechus und Topgalas Einladung wollten wir uns an die Landesvorschriften halten, aber es hätte schon Spaß gemacht, die tibetischen Khampa-Stämme dort oben zu besuchen. Früher zumindest hatten sie von da aus oft die Chinesen in Tibet angegriffen. Jeder war sein eigener König. Bereits 1968 hatten Hannah und ich uns überlegt, etwas Medizin zu erlernen, um den Khampas dort zu helfen. Wie üblich in gesetzlosen Gebieten herrschte aber vor allem große Verwirrung. Sie hatten zum Beispiel aus Versehen ein paar Hippies getötet, die sie für Spitzel hielten. Ihr Anführer, der Khampa-General Wangchuk, war Anfang der 70er Jahre vor den Gurkhas von Tal zu Tal geflohen, bis kurz vor die indische Grenze, wo ihn bereits ein hoher militärischer Rang erwartet hätte. In Indien sind Khampas sehr wohl angesehen, sie bilden die Fallschirmjägertruppen und die fünfte Kolonne während die Söhne des Landes die gesünderen Jobs bevorzugen. Als der General und seine Truppe es fast geschafft hatten, wurden sie von Hubschraubern aus zusammengeschossen. Das haben viele den Nepalesen nicht verzeihen können, aber die chinesischen Auftraggeber waren bestimmt zufrieden.
    Der nächste Tag zeigte uns mehr von Kagbeni. Es war spannend und traurig zugleich. Auf den ersten Blick schien das Stadtbild noch erhalten. Auch hier waren wir überall von Mantrasteinen und Stupas umgeben, doch bei näherem Hinsehen war der Zustand der Heiligtümer verheerend. Niemand hielt sie instand, und ein Großteil würde bald zu Trümmern verfallen. Wie so oft störte es mich, dass so wenige “traditionelle” Buddhisten Karma als Möglichkeit verstehen. Wie die meisten Menschen mit geringer Vorstellungskraft fügen sie sich den Geschehnissen als “Schicksal”, was es keineswegs ist. Das Wissen über Ursache und Wirkung verpflichtet uns tatsächlich, auch auf lange Sicht die bestmögliche Welt zu schaffen, aber viel zu viele nehmen Karma als eine Entschuldigung, um sich brav mit allem abzufinden.
    Anstatt vor einer oberflächlichen Welt aufzugeben, die innere Ruhe und gutes Benehmen als Schwäche auslegt, hätten die Mustangis ihre tiefe Kultur mit einfachen Mitteln erhalten können. Ein guter Anfang wäre es, ihren Kindern die eigene Sprache beizubringen. Das Erhalten ihrer Heiligtümer und das Begrenzen ihres Alkoholverbrauchs würde sie auch davor schützen, ein weiteres entwurzeltes Volk irgendwo im Himalaya zu werden. Dass es gerade Buddhas Erleuchtungstag war, an dem wir den Verfall entdeckten, ließ alles noch viel greller erscheinen.

    Ein Pfad führte einen endlosen Hang empor

    Wir nahmen fünf oder sechs Träger von der Wassermühle mit und boten ihnen mehr, als sie dort verdienen konnten, aber immer noch unter einem Dollar pro Mann und Tag. Man sollte die Lohnebene einer Gegend nicht sprengen. Dann führte der Pfad einen endlosen Hang empor. Unser Tagesziel war ein Sakya-Kloster, das größte der Gegend. Es war der letzte Halt vor Tjume-Djasa - die Hindus nennen es Mukhtinath -, die Stelle, “wo Erde, Stein und Wasser brennen”, einer der ältesten heiligen Orte des Himalaya. Unfassbare Landschaften liegen am Weg, viel abwechslungsreicher als das eintönige Zentraltibet. Als wir eine Abkürzung den Berg hoch zu dem einmalig angelegten Kloster nahmen, gab es einen ganz besonderen Segen: Beim Klettern gerieten wir in einen Rundgang einheimischer Frauen hinein. Viele von ihnen waren ein gutes Gemisch von schön, wild und stattlich, und sie trugen die Weisheitstexte des Diamantwegs. Der Leiter des Klosters war offenbar ein guter Verwirklicher, der die Möglichkeiten seiner Leute erwecken konnte. Während die Anrufungen noch weiterliefen, teilten wir schon unsere Erfahrungen beim Verbreiten von

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