Über Alle Grenzen
ihnen aber dabei nicht die guten Energien ausgetrieben. Die liegenden Riesengestalten taten mir richtig leid, als wären sie nahe Freunde.
Pedro hatte auf den Osterinseln seine erste Fahrstunde in einem Jeep, und Tomek und ich teilten einige spannende Augenblicke auf einem Felsen, während das Meer über uns zusammenschlug. Als ich Karmapa-Reliquien unter Steinen an einem beeindruckenden Krater versteckte, fragte ich mich, wie wohl die Langzeitwirkungen dieses Segens für Milliarden Fische sein würden.
Weitere sechs Stunden westwärts lag Tahiti, die vielleicht teuerste Gegend der Welt: Alles wurde aus Frankreich eingeflogen, und eine Zeitung kostete bis zu zehn Dollar. Vor der Landung warf ein Wirbelsturm das Flugzeug durch die Luft, die Sonne war schwarz und der Himmel strahlend gelb. Die Insel erinnert an Hawaii, ist nur viel wärmer. Viele Strände haben schweren, schwarzen Sand und noch gefährlichere Unterströmungen als Secret Beach. Glücklicherweise wurden wir erwartet; die chinesische Freundin eines französischen Künstlers fuhr uns vom Flughafen zu einem Hotel am Strand, das sie als Fremdenführerin gut kannte. Ohne uns vorher zu kennen, bewirteten sie und ihr japanischer Mann uns während der folgenden drei Tage königlich. Sie hatten Vorträge auf Französisch bei Freunden vorbereitet; mehrere von ihnen würden wir bestimmt wieder sehen.
Buddhas?
Neuseeland sieht aus wie Nordengland, nur auf die südliche Halbkugel versetzt. Obwohl es mehr rote Sportlerknie als erotische Schwingungen gab, war das Land erfrischend. Alles war sauber, die Menschen waren groß und gesund. Überall wurden Wolkenkratzer gebaut, mit farbig getöntem, die vorbeiziehenden Wolken spiegelndem Glas. Im Auckland-Zentrum auf der Nordinsel machte der Lama wenig Sinnvolles, und so nahmen wir den Zug durch offene Landschaften voller Schafe und setzten mit der Fähre über auf die Südinsel bei Christchurch. Obwohl die Zeitung den Artikel einer kalifornischen Freundin erst einen Tag nach meinem Vortrag druckte, waren alle Stühle in dem kleinen Saal besetzt. Die Neuseeländer hatten die Aufnahmefähigkeit von Europäern, und ein Dutzend stellte den Beginn einer Karmapa-Gruppe. Nach Zuflucht und dem Segen unserer Linie war der nächste Schritt die 16. Karmapa-Meditation auf Karmapa und die alles befreiende Sicht des Großen Siegels. Einige wollten sogar mit den Grundübungen anfangen, ein ziemlicher Kultursprung.
Wir mieden Numea, eine andere teure französische Kolonie, und gönnten uns dafür zwei weitere Tage in Australien. Das fühlte sich richtig an. John erwartete uns mit einem hochbeinigen Jeep am Flughafen. Er war ein Engel der Slums von Sydney und rettete viele Straßenjungen vor den Wegen des schnellen Abstiegs. Die Drei-Millionen-Stadt ist ein Gemisch aus europäischen Bauweisen mit geschmiedeten Eisenzäunen. Jytte und Peter luden uns in die teure Vorstadt Mona Vale ein; auf den Küstenhügeln standen die Häuser der Reichen. Für uns bedeutete das viel ungestörte Arbeit am Buch und gleichzeitig wunderbare Strände ganz in der Nähe. Unsere Wirte langweilten sich auch nicht: Sie hingen ständig am Faxgerät oder Fernsprecher und schoben mit recht wenig Erfolg Gelder und Waren um die Welt.
Lama Trijam wiederzusehen, war eine Freude. Wir kannten ihn aus den frühen 70er Jahren in Darjeeling, mit ihm hatte Karmapa Australien ein großes Geschenk gemacht. Leider war er wegen der üblichen tibetischen Verspätungen erst vier Jahre nach der Absprache eingetroffen, was die Hingabe der Wartenden um einiges abgekühlt hatte. Wie bei anderen Lehrern, die bei ihrem östlichen Stil blieben, wollten wir ihn “zugänglich” machen, wie es so oft an andern Stellen gelungen war. Viele sollten Nutzen von ihm haben können.
Die Landschaft lag im klaren Licht des frühen März gebadet, dem australischen Herbst. Meine ersten Vorträge fanden in der Universität von Sydney statt. Einige Dutzend nahmen Zuflucht, und ein Herr in schwarzem Leder tat sein Bestes, um die Belehrungen zu stören. Er war berüchtigt dafür, aber zu mir kam er nur einmal. Als ein Überbleibsel aus meinen bösen alten Tagen genieße ich es tatsächlich, mir absichtlich unangenehme Leute vorzunehmen. Noch dazu kann diese Gattung nützlich gemacht werden: Buddha lehrte ja nur, damit wir besser leben, sterben und wiedergeboren werden können. Es ist deswegen sinnvoller, gemeinsam heikle Punkte zu prüfen, als die Zuhörer nur durch angenehme Worte geschützt in
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