Über Alle Grenzen

Präsidenten Sadat und dem israelischen Regierungschef Begin. Die Arabische Liga spaltet sich in Befürworter und Gegner der ägyptischen Friedensoffensive.
    Karmapas nächste Europareise war deutlich vorher spürbar. Es war wie das Sich-Zurückziehen des Meeres vor der großen Welle. Diesmal wollten wir Karmapa, Jamgön Kongtrul Rinpoche und das etwa zwanzigköpfige Gefolge in einem gebrauchten Bus herumfahren, um das ständige Wechseln der Autos zu vermeiden. Hannah würde übersetzen, mein Bruder Björn und Joch aus Schottland sollten die Fahrer sein. Wir hatten einen Monat Zeit, die Gruppen zwischen Oslo und Athen vorzubereiten. Glücklicherweise schafften die Franzosen und die Briten ihre Arbeit alleine.

    Die Reisegruppe vor unserem Bus

    Das bedeutendste Ereignis dieses Monats war die Begegnung mit Kurt Nübling, die eine zwanzigjährige Bereicherung unserer Arbeit bringen sollte. Als ich meinen ersten Vortrag in der “Deutsch-Indischen Gesellschaft” in Stuttgart beendet hatte, wurde es in einer der hinteren Reihen plötzlich unruhig. Ein junger Mann, fast nur braunes Haar und Bart, sprang an der Schlange vorbei, die auf Segen wartete. Er rief mir etwas in breiterem Schwäbisch zu, als ich damals verstand. Er war ganz ergriffen, sowohl von dem Bild Karmapas mit der Schwarzen Krone, als auch von meinen Belehrungen über die Natur des Geistes. Ich sagte ihm, dass er mir alles schreiben solle, ich würde ihm dann sofort antworten. Der Brief - auf hochdeutsch - zeigte eine tiefe Offenheit für die Lehre, und ich antwortete, dass er sich bereit machen solle für die Arbeit in Deutschland.
    Er wurde zunächst sehr wichtig für den Aufbau des Zentrums Schwarzenberg, aber er entschloss sich unerfreulicherweise später, die Stelle privater und exotischer zu halten. Dies wurde ein Hindernis für das Wachstum des Zentrums,, und leider trennten sich dadurch später unsere Wege. Heute haben sich die Verhältnisse geklärt und nach den Wünschen der höchsten Kagyü-Lamas arbeitet fast das ganze schöne Gebäude mit Alpenblick innerhalb des Diamantweges.
    In Belgien wartete der Bus, den Akong Tulku in Holland gekauft hatte. Wir zogen zwar deutsche Qualität vor, fanden ihn auch viel zu teuer, aber es war nicht mehr zu ändern. Unsere Freunde in Antwerpen hatten ihn rot angemalt und erklärten Björn vor der Weiterfahrt all seine Tücken.

    Jamgön Kongtrul Rinpoche und die Schwarze Krone

    Dann war er wieder bei uns! Am Morgen des 20. Juni 1977 landeten Karmapa und Jamgön Kongtrul Rinpoche samt Gefolge in Paris. Sie kamen direkt aus Amerika und blieben sechs Monate in Europa. Bereits am Flughafen stellte Karmapa einen Khenpo, eine Art gelehrten Abt, vor. Er hatte ihn mitgebracht, um die theoretische Seite von Buddhas Lehre zu vermitteln. Sein Name war Tsültrim Gyamtso, und Karmapa sagte, dass er ihn nach Europa schicke, weil seine Nase so groß sei wie die unseren. Gleich am Anfang fragte mich Karmapa wie so oft, wie es in der Welt aussähe. Er wollte von den allgemeinen Entwicklungen hören und meine Einschätzung der Weltlage wissen. Mit der Zeit wurde ich sein politischer Berater. Die vielen Stunden, die ich mit dem freudlosen Spiegel, der Herald Tribune, mit Newsweek oder Time verbracht habe und verbringe, zahlten sich hier aus. Ein umfangreicher Überblick über die Machtspiele in der Geschichte half zum Beispiel unseren Schülern, Hannah und mir, die Tricks der kommunistischen Chinesen in den frühen 90er Jahren zur Einsetzung eines falschen Karmapa-Kandidaten abzuwehren. Böse Menschen verhalten sich halt immer gleich. Seinerseits vertraute Karmapa uns vieles an, was er den Tibetern nicht sagen konnte, weil - wie er es ausdrückte - sie alle miteinander verschwägert seien. Undurchsichtige Klüngeleien sind bei ihnen genauso üblich wie sonst im Osten. Bei einer verhältnismäßig dünnen Oberschicht in einem so kleinen Kulturkreis ist eine offene Aussprache kaum möglich.

    Während der sechs Tage in Paris gab Karmapa in riesigen Sälen Kronzeremonien, die meine Erlebniswelt immer wieder in goldenem Licht verschwinden ließen. Nur die Schwarze Krone blieb gestochen klar im Raum hängen, und Karmapas Segen schien täglich anzuwachsen.

    Karmapa gibt Segen in Oslo

    Vor den öffentlichen Veranstaltungen versuchten wir in endlosen Sitzungen mit den Franzosen, die Zusammenarbeit der europäischen Zentren zu retten. Es war Karmapas tiefer Wunsch, die Kagyü-Linie zusammenzuhalten, und mit seinem eigenen, sehr