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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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beobachteten Kalu Rinpoche und Gyaltsen diese “mildere” Form des Kommunismus. Es war die europäische Abart der Unterdrückung, die Tibet seit 1951 zerstört hatte. Alle atmeten tief durch, als ein eisernes Tor hinter uns zuschlug. Wir waren zurück in der freien Welt.
    Erst kurz vor Mitternacht kamen wir an, aber das war in Ordnung. Tibet war gerade in Mode gekommen, weshalb Kalu Rinpoches Ankunft in einem Lokalsender groß angekündigt worden war. Die meisten, die gekommen waren, wollten nur “die Giraffen” sehen. Die, die noch geblieben waren, wünschten wahrscheinlich mehr.
    Berlin sollte noch oft durch Verwirrung hervorgerufene Schwierigkeiten bekommen, die der Stadt eigen waren. Diesmal wurden Drogen zum Brennpunkt. In unserer Abwesenheit hatte jemand für Kalu Rinpoche “Haschisch” mit “Arznei” übersetzt. Diese zu nehmen, konnte Kalu Rinpoche ja niemandem verwehren, auch nicht im Zentrum. Das wurde kurz danach gefährlich, als eines der billigsten Blätter Deutschlands einen Angriff auf die “neuen” geistigen Bewegungen startete. Obwohl wir 500 Jahre älter sind als die in Europa gängigste Heilslehre und schön frei davon, Hexen verbrannt oder andere Religionen verfolgt zu haben, konnten wir uns das nicht leisten. Ich musste jedem einen Krankenhausaufenthalt versprechen, der im Zentrum nicht auf die Arznei verzichtete.
    Freunde aus Kiel verschafften uns schnell einen anderen VW-Bus - unser erster mit durchgehender Frontscheibe und Schiebetür, außerdem hatte er auch ein paar PS mehr. Hamburg war der nächste Stopp. Dort kamen wir einer dicken politischen Sache auf die Spur. Einige sehr reiche deutsch-englische Gelugpas luden Kalu Rinpoche auf ihr privates Schloss im Tierpark Bergedorf ein. Sie hatten vor, ihr Geld und ihren Einfluss mit der Kraft und Hingabe unseres “Fußvolks” zu einem “Rime”-Zentrum zu verbinden, offen für “alle” tibetisch-buddhistischen Richtungen. Das Modell war uns schon bekannt. In der Tat bedeutete es, dass kurz danach ein Geshe, ein Professor aus Dharamsala im Westhimalaya, ankommen würde. Wir hätten dann ein “tugendhaftes” Gelugpa-Zentrum, von Mönchen geführt. Kirchen für Gläubige gibt es genug, aber da Karmapas Segen und mein Stil die frischen Leute anzieht, wäre es ein Verrat an ihnen. Wo sollten sie dann hingehen? Ich warnte Kalu Rinpoche mehrmals davor, aber offenbar nicht häufig genug, wie die Zukunft noch zeigte.

    In München lehrte Kalu Rinpoche bei den Mitgliedern eines russischen Volksstammes, den so genannten Kalmücken. Dabei wurde ein Märchen widerlegt, das mich stets gestört hatte. New-Age-Bücher berichten von “dreihundert Tibetern”, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin tot aufgefunden worden waren. Eher mit Vorstellungskraft begabt als wissenschaftlich ausgebildet, schlossen einige Verfasser daraus, dass Lamas ihre Mantras für Hitler und seine üblen Schergen gesprochen hatten. Die Tatsachen sehen anders aus: Hitler erkannte glücklicherweise zu spät, dass die kleine Bevölkerung Deutschlands nicht alleine all das erreichen konnte, was er vorhatte. Er ahnte, dass er die Kommunisten nur dann besiegen konnte, wenn er Teile der sowjetischen Bevölkerung auf seine Seite brachte. So versprach er den Völkern Sibiriens und der Mongolei weitgehende Eigenständigkeit, wenn sie auf seiner Seite kämpfen würden. Weil Stalin Millionen von ihnen hatte umbringen lassen, gingen sie darauf ein. Als die deutsche Wehrmacht 1942 die kalmückische Steppe südlich von Stalingrad besetzte, meldeten sich bald mehrere Tausend Freiwillige, aus denen ein “Kalmücken-Kavalerie-Korps” (KKK) gebildet wurde. Die für das KKK kämpfenden Kalmücken folgten mitsamt ihren Familien der Wehrmacht auf dem Rückzug bis nach Berlin. Später, in der Schlacht um Berlin, wurden einige jener Kalmücken als Hilfssoldaten getötet. Die meisten von ihnen konnten weder lesen noch schreiben und gehörten zudem der Schule der Gelugpas an, was kaum eine Grundlage für “wilde Beschwörungen” ist.
    Ihr Lama, Bembijef, war einige Jahre vor unserem Besuch gestorben. Während der Großteil schon nach Taiwan und in die USA ausgewandert war, hatte sich der Rest der Gruppe in einer Wohnung im Norden Münchens mit ihm getroffen. Dort erhielten sie auch die Belehrungen eines Geshe aus Rikon. Ihre Geschichte ist keinen Deut hintergründiger.

    Wien wartete. Bei der Einreise nach Österreich glaubten wir, bereits im Balkan zu sein. Auf der Botschaft hatten sie

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