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Über Boxen

Über Boxen

Titel: Über Boxen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates
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weigerte sich Dempsey strikt, in einem Titelkampf gegen Harry Wills – «The Black Menace» – anzutreten, ein Kampf, den ihm die Zuschauer aufdrängen wollten.) Man fragt sich, wer in jenen Jahren die wirklichen Weltmeister gewesen wären. Und welchen Wert haben historische Zeugnisse, wenn sie so anmaßend allein die Vorurteile der herrschenden Rasse wiedergeben? Noch1982 , nach Jahrzehnten beispielloser schwarzer Boxer – von Jack Johnson und Joe Louis bis hin zu Sugar Ray Robinson und Muhammad Ali –, wurden gegen den schwarzen Champion im Schwergewicht, Larry Holmes, rassistische Vorwürfe und Beleidigungen erhoben, als er seinen Titel gegen den überschätzten und hochgepuschten weißen Herausforderer Gerry Cooney verteidigte. (Dessen Bild zierte übrigens die Titelseite des «Time Magazine» vor dem Kampf und nicht das Larry Holmes’.) Es heißt, dass Präsident Reagans Secret Service am Tag des Kampfes, der in Las Vegas stattfand, in Cooneys Kabine einen besonderen Telefonanschluss installieren ließ, damit dem weißen Boxer, sofern er gewinnen sollte, unverzüglich gratuliert werden könne; nichts dergleichen gab es in der Kabine des schwarzen Champions.
    Man hat viel Aufhebens um Holmes’ legendäre Bitterkeit gemacht, als ob die Tatsache, dass jemand Millionen verdient hat – und übrigens genauso viel an ihm verdient wurde –, die Demütigungen der Vergangenheit wegwischen könnte. Ist das, psychologisch gesehen, nicht einfach unmöglich? Holmes’ Seitenhieb gegen Rocky Marciano nach seiner ersten, kontroversen Niederlage gegen Michael Spinks darf wohl als Seitenhieb gegen alle weißen Champions verstanden werden: «… ich will es ganz deutlich sagen: Rocky Marciano könnte nicht mal meinen Tiefschutz 31 tragen.»
    Männer und Frauen, die noch nie aus persönlichen Gründen jemanden gehasst und auch keinen Grund zum Klassenhass haben, neigen dazu, Gefühle dieser Art zu verleugnen, sie vielleicht sogar, wenn sie ihnen in anderen begegnen, beflissen zu verurteilen. Warum all die Unzufriedenheit? Warum die Unrast? Wozu das Gezeter? Aber die Welt ist im Zorn – durch Hass und Hunger – entstanden und nicht nur durch Liebe: Davon handelt Boxen unter anderem. Es ist so simpel, dass man es leicht übersieht.
    Wessen Aggression maskiert, versteckt oder vergeblich ist, der wird sie in anderen immer verdammen. Der mag Boxen als «primitiv» empfinden – als ob die Tatsache, dass wir einen Körper haben, nicht schon an und für sich primitiv ist, vollkommen unpassend in einer Kultur, die sich auf physikalischer Kraft – auf Raketen und Nuklearsprengköpfen – aufbaut und sich ihr immer unterworfen hat. Die schreckliche Stille, die sich im Boxring auf dramatische Weise zuspitzt, ist die Stille der Natur, die dem Menschen und seiner Sprache vorausging, als noch allein das Körperliche göttlich war.
    Auf jeden Fall ist Wut eine angemessene Antwort auf bestimmte schlimme Tatsachen des Lebens, sie ist nicht die grundlose Bösartigkeit der klassischen Tragödie, sondern ein sehr berechtigter und gesellschaftlich verständlicher Impuls. Ohnmacht nimmt viele Formen an – eine davon ist der rücksichtslose Verschleiß physischer Kraft.
    Welche Stunde hat geschlagen? Die des Macho!
    Hector «Macho» Camacho, WBC -Champion im Leichtgewicht
    Ich will meinen Gegner nicht k . o. schlagen.
    Ich will ihn treffen, beiseitegehen und zusehen, wie er leidet. Ich will sein Herz.
    Joe Frazier, ehemaliger Weltmeister im Schwergewicht
    Es ist eine Konstellation wie im Märchen: Der Schwergewichtschampion ist der gefährlichste Mann, den es auf Erden gibt, der gefürchtetste, der männlichste. Die Gefährtin, die zu ihm passt, ist deshalb die Märchenprinzessin, die «Schönste im ganzen Land».
    Boxen ist eine männliche Aktivität, die Welt des Boxens ist rein männlich. Was nicht heißen will, dass die Mehrzahl der Männer von ihr geprägt ist: Eindeutig sind das die meisten Männer nicht. Und obwohl es weibliche Boxer gibt – eine Tatsache, die überrascht, alarmiert, amüsiert –, war die Rolle, die Frauen in diesem Sport spielten, immer äußerst klein. (Während ich dies schreibe, ist die bekannteste amerikanische Boxerin die Schwarze «Lady Tyger» Trimiar mit ihrem rasierten Kopf und ihrem theatralischen Tigerkostüm.) Bei Boxkämpfen ist die Rolle der Frau auf die des Nummerngirls und auf gelegentliches Absingen der Nationalhymne beschränkt: stereotype Funktionen, die in stereotyper Weise erledigt

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